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unter anderem kostbaren Schmucke kirchlichen Dienstes geraubt. Ter Bischof
jener Kirche aber sandte Boten an den König mit der Bitte, daß er, wenn er
auch sonst nichts anderes von den heiligen Gefäßen seiner Kirche wiedererlange,
doch wenigstens den Krug wieder bekäme. Da der König dies hörte, sagte er
zu dem Boten: „Folge uns nach bis in die Stadt der Suessionen, denn dort
wird alles, was erbeutet worden ist, geteilt werden. Weist das Los mir jenes
Gefäß zu, so werde ich den Wunsch des heiligen Vaters gern erfüllen." Als der
König nun nach Soissons kam, wo die gesamte Beute zusammengetragen
worden war, wandte er sich an die Franken und sprach, indem er auf den oben
erwähnten Krug hinwies: „Ich bitte euch, tapfere Kampfgenossen, daß ihr mir
wenigstens jenes Gefäß außer meinem Anteil gewähren möchtet." Da dies der
König sagte, antworteten die, welche verständigen Sinnes waren: „Alles, ruhm¬
reicher König, was wir sehen, gehört dir zu, und wir selbst auch stehen unter
deinem Gebote. Tue darum, was deines Willens ist, denn niemand vermag
deiner Macht zu widerstehen!"
Als jene also gesprochen hatten, erhob ein leichtsinniger, neidischer und
unbedachter Mensch sein Streitbeil und schlug damit auf den Krug, indem er
mit lauter Stimme rief: „Nichts wirst du erhalten, als was das Los dir nach
Fug und Recht zuweist!" Alle wurden von Staunen ergriffen, aber der König
trug den Schimpf mit Geduld und Sanftmut, nahm den Krug und übergab
ihn dem Boten des Bischofs, den Schmerz in feiner Brust bergend. Da aber ein
Jahr vergangen war, befahl er, daß das Heer in voller Waffenrüstung zu¬
sammenkomme, um im Glanze der Waffen sich vor ihm zu zeigen. Alle durch¬
musterte er, zuletzt traf er auf den Krieger, welcher den Krug zerschlagen hatte,
und sagte zu ihm: „Keiner trägt so schlechte Waffen wie du, denn weder deine
Lanze, noch dein Schwert, noch deine Streitaxt sind zum Kampfe nütze." Damit
entriß er ihm die Axt und warf sie zu Boden, und als jener sich ein wenig vorn¬
über beugte, erhob der König feinen Arm und schlug ihm seine Axt ins Haupt.
„So," sagte er, hast du es in der Suessionenstadt mit dem Kruge getan." Der
Mann war tot. Die übrigen hieß der König hinweggehen.
Hierdurch aber bewirkte er, daß man ihn fürchtete.
66. König Edwin wird Christ.
Nach Beda bei Erler. Deutsche Geschichte. Leipzig, 1882.
Als König Edwin noch Heide war, wurde er einst von Älfrid, der vor ihm
herrschte, verfolgt und kam auf seiner Flucht zum König Reduald, der ihn auf
seine Bitte aufnahm und ihm Schutz gelobte. Als Älfrid das hörte, sandte er
Boten zu Reduald und bot ihm eine große Summe Geld, wenn er Edwin töte.
Da er aber nichts erreichte, sandte er zum zweiten und dritten Male, versprach
noch reichere Geschenke und drohte überdies mit Krieg. Endlich gab Reduald nach
und versprach, Edwin zu töten oder auszuliefern. Ein treuer Freund des Flüch¬
tigen hatte davon gehört und trat um die erste Stunde der Nacht zu ihm ins