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Deutschen zeugen die herrlichen Dome zu Köln, Straßburg, Ulm und viele
andere. An den Schlössern der Fürsten, an den reichen Bürgerhäusern der
Handelsstädte zeigt sich der unmittelbare Einfluß der Kunst auf das Gewerbe;
eine beredte Sprache über die Blüte des Kunstgewerbes in Deutschland führt
das kostbare Mobiliar, der prachtvolle Schmuck bis herab auf die einfachsten
Hausgeräte, Krüge und Teller. Manche der deutschen Handwerksmeister
haben Erfindungen gemacht, die weltbewegende Ereignisse bedeuten; ich
erinnere nur an die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern.
Ferner ist noch in Betracht zu ziehen, daß Deutschlands Handel zurzeit der
Hansa alle bekannten Meere umspannte und die Bank- und Wechselgeschäfte
der Fugger und Welser zu Augsburg zu Welthandelshäusern erhob. Wenn
ich auch ganz schweige über die Pflege der Malerei und Musik durch unser
Volk sowie von den Errungenschaften der Neuzeit auf dem Gebiete der
Technik, so wird doch schon jeder zustimmen müssen, daß unserem Volke auch
als Förderer der Kultur eine weltgeschichtliche Bedeutung zuzusprechen ist.
Daß sich das deutsche Volk zur Weltpolitik bekennt, ist nicht nur sein
gutes Recht, sondern auch eine vom Schicksalgefügte Not—
wendigkeit.
Mit der Jahrhundertwende ist eine neue politische Gruppierung der
Mächte in Erscheinung getreten; an Stelle der Großmächte mit ihrer Europa—
politik stehen die Weltmächte und die Weltpolitik. Den entscheidenden Schritt
hat Nordamerika getan, indem es nach dem Pariser Frieden (1898) handelnd
und maßgebend in die internationale Politik eingriff. In England tritt,
getragen von gewaltigen, aus der Volksseele entspringenden Strömungen
mit der Rücksichtslosigkeit einer Elementarkraft der Wille auf, eine all—
beherrschende Weltstellung zu erzwingen. Rußland sucht sich auszudehnen,
bis es an eisfreie Häfen gelangt ist. Japan sucht seinen Plan zu verwirk—
lichen, die Vormacht der gelben Rasse in Ostasien zu werden. Frankreich ist
eifrig dabei, sich in Afrika ein wichtiges Kolonialreich zu bauen. Jedes
Kulturvolk ist darauf aus, soviel als möglich für sich zu gewinnen. Die
Großmacht, die hier zurückbbleibt oder beiseite steht, kommt in Gefahr, ihren
Platz im Rate der Mächte zu verlieren, und derjenige, ohne den einst die
Entscheidung fällt, muß befürchten, daß sie gegen ihn ausschlägt. Will das
Deutsche Reich nicht abermals, wie einst in früheren Zeiten des inneren
Haders, leer an Geltung ausgehen, so muß es sich an der Weltpolitik beteiligen.
Wollte aber Deutschland darauf verzichten, im Wettbewerb mit den
übrigen Weltmächten England, Rußland, Frankreich, Nordamerika und Japan
den Gang der Weltgeschichte zu lenken, so würde es seine Ehre und sein An⸗
sehen und seinen Bestand untergraben. Der Verzicht Deutschlands
auf Weltmachtstellung würde zum wirtschaftlichen Zu—
sammenbruch, zum Untergange unseres Volkes als
Nation, zum Serabsinken in die Vasallenschaft einer
anderen Weltmacht führen. Die Erkenntnis dessen ergibt sich aus
einer Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse unseres Volkes und der
Grundlagen, worauf diese Wirtschaft aufgebaut ist.
Es ist noch gar nicht lange her, daß das deutsche Volk zur Not ganz
von den Erzeugnissen des eigenen Landes leben konnte; denn vor 50 Jahren