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III. Erdkunde.
Das bunte Treiben in den Straßen entspricht dem, was die vielen
Schiffe auf der Reede vermuten lassen. Wie hinter den stattlichen euro¬
päischen und amerikanischen Schiffen eine wahre Musterkarte von Fahr¬
zeugen und Flaggen zu sehen ist, so bildet auch die Stadt den Sammelplatz
aller Völker des Ostens. Überwiegend an Zahl sind die Chinesen; dann
folgen die Malaien, Bewohner des Archipels: Bngis, Javanen, Sundanesen,
echte Malaien und die Klings, wie mit einem bequemen Sammelnamen
alle Bewohner Vorderindiens genannt werden. Zwischen diesen Völker¬
schaften erscheinen vereinzelt die Araber, Perser, Parsi, Armenier, Siamesen,
Birmanen, Anamiten, Tagalen und Juden in alttestamentlicher Tracht.
Den buntesten, interessantesten Anblick gewährt die Stadt wohl abends
zwischen 8 und 10 Uhr. Die Straßen, in welchen die Geschäftshäuser der
europäischen Kaufleute liegen, sind dann öde und finster, aber in den anderen
Stadtteilen, besonders im Viertel der Chinesen, herrscht die größte
Lebendigkeit. Hier sind alle Läden offen und mit großen, bunten Papier¬
laternen, die zugleich.als Firmenschilder dienen, beleuchtet, alle Werkstätten
in voller Tätigkeit. Längs der Häuser haben sich ganze Reihen kleiner
Geschäftsleute, Hausierer, besonders aber viele Garköche mit ihren tragbaren
Gestellen eingefunden, welche an dem einen Ende eines Bambus die Küche,
am andern sämtliches Geschirr tragen. Dazwischen wogt eine dichte
Menschenmenge, die hier ihre Abendmahlzeit kauft und meist gleich an Ort
und Stelle verzehrt.
In einigen Teilen der Stadt tritt das chinesische Element so sehr in
den Vordergrund, daß man in China zu sein glaubt. Alle Handwerke,
besonders solche, welche Geschick und Ausdauer verlangen, werden fast nur
von Chinesen betrieben. Sie mögen wohl das fleißigste Volk auf Erden
sein; vom frühen Morgen bis spät in die Nacht sieht man sie arbeiten.
Mit Ausnahme des Neujahrsfestes gibt es für sie keinen Feiertag. Zu
ihrem Fleiß gesellen sich auch Sparsamkeit und Genügsamkeit. Ihr Hand¬
werkszeug, ihre Kleidung und Nahrung sind von der einfachsten Art. Sie
sind in ihren Genüssen in der Regel mäßig. Ihre Tabakspfeife hat die
Größe eines Fingerhutes; von einer Zigarre rauchen sie gewöhnlich nur
einige Züge hintereinander und heben den Rest auf. Sie trinken fast nur
dünnen Thee, der sehr billig ist, immer ohne Milch und Zucker, aus ganz
kleinen Täßchen. Die reichsten Chinesen gehen kaum besser gekleidet als
die ärmsten: eine kurze, weite Hose, eine baumwollene Jacke und bei den
Wohlhabenden Schuhe ohne Strümpfe bilden nebst Zopf und Fächer den
ganzen Anzug.
Ein großer Teil des Handels und der Schiffahrt ist in ihren Händen,
nur an dem direkten Handel nach Europa und Amerika sind sie noch un¬
beteiligt. Alles aber, was an Erzeugnissen des Archipels nach Europa
kommt, geht erst durch Vermittelung der Chinesen an die europäischen