25. „Herr, das Feld ist abgeerntet,
Nüstig regten wir die Glieder!
Was Ihr körnerweise gäbet,
Garbenweise bracht' ich's wieder.
26. Herr, auch hab' ich nicht vergessen,
Bösen Zauber abzuwehren,
Der am Tag der Sonnenwende
Dräut den Schoten und den Ähren;
27. Denn am Tag der Sonnenwende
Sprengt beim Schall der Abendglocke
Schattengleich der Bilwißreiter
Durch die Flur auf schwarzem Bocke.
28. Reiten darf der rauhe Unhold
Nur, solang der Mesner läutet,
Und sein eigen sind die Halme,
Die beim Läuten er umreitet.
29. Doch uns konnt' er wenig schaden,
Denn ich selber griff zum Strange:
Das Johannisabendläuten
Währte Heuer nicht zu lange!"
30. Lächelnd sprach der frommeBischof:
„Alter, das ist Heidenglauben;
Gutes, das uns Gott gegeben.
Kann der Böse uns nicht rauben."
31. Achselzuckend drauf der Meier:
„Freilich sind wir Christenleute,
Doch es läßt sich nicht verreden,
Daß der Bilwißreiter reite."
32. Alle lachten seines Wortes,
Einzig Gero nicht, der grimme.
Aiga kam mit ihrem Kranze
Und begann mit heller Stimme:
33. „Dank dem Herrn des Hauses
Seine Mägde, seine Knechte; [bringen
Immer zielt er auf das Gute,
Immer übt er nur das Rechte.
34. Diesen Kranz von goldnen Ähren
Halt' ich freudig ihm entgegen;
Lohn der Arbeit soll er künden,
Menschcnflciß und Gottes Segen.
35. ManchesJahrnochmög'er sorgen
Für den Gau, für Hof und Halle:
Lustig spielt, ihr Musikanten,
Daß es durch die Berge schalle! —
36. Gruß und Dank der edlen Jung-
Dieses Hauses holdem Kinde; sfrau,
Hoff' ich doch, daß ich im nächsten
Lenz auch ihr ein Kränzlein winde;
37. Nicht von Blättern, nicht vonBlu-
Die ans fremder Flur gewachsen: smen,
Nein, von lieben heimatlichen.
Wie sie blühn im Land der Sachsen.
38. Hildegund, sie möge weilen
Unter uns, das wünschen alle:
Lustig spielt, ihr Musikanten,
Daß es durch die Berge schalle!" —
39. Nief der Graf: „Ich lob'und lohne
Treuen Fleiß und guten Willen;
Schnitterdurst ist alte Sage:
Eilt nun, gründlich ihn zu stillen.
40. Brauner Met, ihr wackern Leute,
Harrt auf euch in vollen Krügen;
Trinkt und eßt, und dann im Tanze
Laßt die Mädchenzöpfe fliegen!" —
41. An den Tischen auf der Tenne
Saß das Volk bei Kraut und Schinken.
„Iß und schweig!" ist Bauernregel,
„Doch versäume nicht zu trinken!"
42. Jrmin rief, der lahme Kuhhirt:
„Fort mit Tischen und mit Bänken!
Dierk und Kord, nun pfeift und fiedelt,
Daß wir uns im Neigen schwenken!"
43. Hell und lustig klang die Flöte,
Hell und lustig sang der Bogen,
Und der Knaben Zipfelmützen
Und die Mädchenzöpfe flogen.
44. Einer aber saß im Winkel
Teilnahmslos und unbeachtet;
Trübe war sein dunkles Auge,
Seine Stirne gramumnachtet.