I. Lyrische Gedichte.
107. „Grüß' Gott!"
1. „Grüß' Gott!" aus deutschem
Munde
Wie herzig klingt der Gruß!
Auf heimatlichem Grunde
Fühlt wieder sich mein Fuß;
„Grüß' Gott!" ich komm' als
Wandrer
Aus fernen Landen her,
Doch tönt so lieb kein andrer,
Kein Gruß der Welt wie der!
2. Italische Zunge grüßte
Melodisch mich und weich,
Der bärtige Sohn der Wüste
Sprach: „Friede sei mit euch!"
Ich hörte Palmen rauschen.
Ich sah den Lorbeer stehn:
Null darf ich wieder lauschen
Der deutschen Linde Weh'n.
3. „Grüß' Gott!" mir hat's ge¬
klungen
So freundlich und so fromm,
Als wie von Engelzungen
Ein himmlischer Willkomm;
So wunderlieblich segnet
Den Wandersmann der Gruß,
Wie wenn's ihm Blüten regnet
Vom Baum auf Haupt und Fuß.
4. „Grüß' Gott!" das klingt am
Morgen
Wie muntrer Lerchenton
Und scheucht des Wandrers
Sorgen
Wie Nachtgewölk davon;
„Grüß' Gott!" das tönt am
Abend
Wie sanfter Drosselschlag
Und kühlt wie Tau so labend
Nach schwülem Arbeitstag.
5. „Grüß' Gott!" in freien Lüften!
Wie weiland Abraham
Aus stillen Weidetristen
Jehovahs Ruf vernahm:
So weh' auf allen Wegen
In Wald und Wiesenplan,
In Sonnenschein und Regen
Dich Gottes Odem an.
6. Grüß' Gott am Tag der Freude:
Er würze dir dein Brot!
Grüß' Gott in Kreuz und Leide:
Er tröste dich in Not!
Grüß' Gott uns all' auf Erden
Mit seiner Gnade Strahl,
Bis wir ihn grüßen werden
Daheim im Himmelssaal!
Karl Gerok.