A. r o s st.
I. Zage. Geschichte. Menschenleben.
1. Die vier alten Jahresseste der Germanen.
Daß den einzelnen Göttern bestimmte Tage der Woche geheiligt waren
und sie an diesen besonders verehrt wurden, sehen wir bei Wodan, Thor
^Donars, Tyr sZiisi und Freia sFriggsi Es gab aber auch noch andere bestimmte
festliche Zeiten, in denen man sich der Verehrung der Götter insbesondere
befleißigte. Solche festliche Zeiten kehrten viermal im Jahre wieder, und ihre
Feier hing eng mit den vier Jahreszeiten zusammen.
Um die Zeit, wenn das Eis krachend auf den Strömen zerbarst; wenn milder
Regen die Erde aufweichte und sie zur Aufnahme neuer Saat und Hervorbringung
neuen Lebens empfänglich machte; wenn reinigende Gewitter anfingen, die Luft
zu erschüttern, oder der Sturmwind rauschend über die Berge dahinfuhr und die
Wolken zerspaltete; wenn dies alles geschah: dann sahen unsere Ahnen in
diesem Walten der Natur die Hand des mächtigen Thor. Sie sagten: „Thor
führt durch die Lüfte, und sein Barthaar, das im Winde flattert, erzeugt den
Sturm; sein Mantel sind die Wolken, geladen mit fruchtbarem Regen."
Sie glaubten, Thor kämpfe dann mit den gewaltigen Eisriesen, um sie aus
der Nähe der Menschen zu vertreiben, er werfe nach ihnen den Hammer Miölnir
und zerschmettere dabei die Felsen. So deutete man das Gewitter. Dann
rief Thor seine Schwester, die liebliche Göttin Ostara, die die Erdmutter
dem Odin geboren hatte, und sie brachte den schönen Frühling mit. Sie
war von ihrer Mutter über die Pflanzen und Pflänzchen gesetzt und mußte
darüber wachen, daß sie durch Morgensonne und Frühtau zum Hervorkeimen
gebracht wurden. Sie teilte sich mit ihrem Bruder in die Ehren des Früh¬
lingsfestes, das nach ihr Osterfest benannt wurde. Es war ein rechtes
Deutsches Lesebuch für bayer. Mittelschulen. Dd. IV. 1
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