Full text: [Theil 6, [Schülerband]] (Theil 6, [Schülerband])

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Auch von der Sennhütte selbst möge man sich keine allzu 
unmuthige und idyllische Vorstellung machen. Sie ist ein niederes 
und enges, aus Holz und rohem Mauerwerk zusammengefügtes, 
ziemlich schmutziges Gebäude, das gegen Sonne, Wind und Regen 
oft sehr offenherzige Freundlichkeit zeigt und mit rings umher auf¬ 
gehäuftem Dünger oft völlig verpallisadiert ist. Gewöhnlich sind drei 
Abtheilungen zu unterscheiden: eine zur Schlafstätte für den Senn 
oder die Sennerin bestimmte, mit Tisch und Bänken versehene, ver¬ 
schiedene Holzgefäße, Löffel und Kellen bergende; eine als Küche 
zur Käsebereitung dienende, und eine dritte als Kellerraum zur 
Aufbewahrung der Milcherzeugnisse bestimmte Abtheilung. Die 
innerlich am bequemsten und schmucksten eingerichteten Sennhütten 
möchten in den baierischen Alpen, namentlich in Berchtesgaden und 
Traunstein, zu finden sein; auch im Allgäu aus der See- und Ober¬ 
mädelalp sieht man sehr solide Häuser, und in der Schweiz richtet 
man sich in neuerer Zeit auch behäbig ein. Ihre einfachste und 
roheste Form haben die Sennhütten jedenfalls im Glarner Lande 
bewahrt. 
Der Lohn, welchen die Senner bekommen, ist geringer als der 
Verdienst, welchen die Fabrikarbeit bringen würde. Dennoch wird, 
wer einmal die reine Alpenluft gekostet Hut, schwerlich vom Senn- 
geschäft lassen. Es geht ihm wie den Kühen, die, wenn sie die 
Glocken, die ihnen angehängt werden sollen, zum erstenmal hören, 
in freudige Bewegung gerathen. Das Leben drunten im Thal ist 
die Prosa, der Sommer auf der hohen Alpweide die Poesie. Die 
einfache Kost, die reine Luft und die großherrliche Bergseenerie 
stimmen trotz aller Arbeit und Beschwerden das Gemüth zum Ein¬ 
klang und frohen Aufjauchzen. Wie der Kuhreigen mit seinen 
langen Trillern und abwechselnd kurzen und gedehnten, lang ver¬ 
hallenden Tönen bei der Auffahrt ertönt, so wird oben auf der Alp 
oft das einfache Jodeln (der Rugguser) gehört. Die „Schwaiglerin" 
auf der steier'schen Alm, die manchmal ganz allein eine Kuhherde 
besorgen, buttern und käsen und bei schlimmer Witterung mit der 
Sichel in der Hand zwischen steilen Felsen umher klettern muß, um 
für den Augenblick der Noth Heu zu bekommen — auch sie vergißt 
ihre Lieder nicht, die beim Abzug von der Alp wie ein wehmüthiger 
Scheidegruß klingen. Für sie war es im Sommer die gröste Freude, 
wenn am Ende der Woche ihr „Bua" sich aufmachte und schnell¬ 
füßig die Berge erkletterte, um ihr seine Huldigung darzubringen. 
Am Sonntag hilft er ihr beim Melken und Besorgen der Milch, 
dafür kocht sie ihm einen fetten „Almkoch", während sie selber an 
dem Weißbrod und Meth sich labt, den jener ihr aus dem Thal 
hinaufgebracht. Doch ist Regel, daß die Schwaigerin Sonntags die
	        
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