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Auch von der Sennhütte selbst möge man sich keine allzu
unmuthige und idyllische Vorstellung machen. Sie ist ein niederes
und enges, aus Holz und rohem Mauerwerk zusammengefügtes,
ziemlich schmutziges Gebäude, das gegen Sonne, Wind und Regen
oft sehr offenherzige Freundlichkeit zeigt und mit rings umher auf¬
gehäuftem Dünger oft völlig verpallisadiert ist. Gewöhnlich sind drei
Abtheilungen zu unterscheiden: eine zur Schlafstätte für den Senn
oder die Sennerin bestimmte, mit Tisch und Bänken versehene, ver¬
schiedene Holzgefäße, Löffel und Kellen bergende; eine als Küche
zur Käsebereitung dienende, und eine dritte als Kellerraum zur
Aufbewahrung der Milcherzeugnisse bestimmte Abtheilung. Die
innerlich am bequemsten und schmucksten eingerichteten Sennhütten
möchten in den baierischen Alpen, namentlich in Berchtesgaden und
Traunstein, zu finden sein; auch im Allgäu aus der See- und Ober¬
mädelalp sieht man sehr solide Häuser, und in der Schweiz richtet
man sich in neuerer Zeit auch behäbig ein. Ihre einfachste und
roheste Form haben die Sennhütten jedenfalls im Glarner Lande
bewahrt.
Der Lohn, welchen die Senner bekommen, ist geringer als der
Verdienst, welchen die Fabrikarbeit bringen würde. Dennoch wird,
wer einmal die reine Alpenluft gekostet Hut, schwerlich vom Senn-
geschäft lassen. Es geht ihm wie den Kühen, die, wenn sie die
Glocken, die ihnen angehängt werden sollen, zum erstenmal hören,
in freudige Bewegung gerathen. Das Leben drunten im Thal ist
die Prosa, der Sommer auf der hohen Alpweide die Poesie. Die
einfache Kost, die reine Luft und die großherrliche Bergseenerie
stimmen trotz aller Arbeit und Beschwerden das Gemüth zum Ein¬
klang und frohen Aufjauchzen. Wie der Kuhreigen mit seinen
langen Trillern und abwechselnd kurzen und gedehnten, lang ver¬
hallenden Tönen bei der Auffahrt ertönt, so wird oben auf der Alp
oft das einfache Jodeln (der Rugguser) gehört. Die „Schwaiglerin"
auf der steier'schen Alm, die manchmal ganz allein eine Kuhherde
besorgen, buttern und käsen und bei schlimmer Witterung mit der
Sichel in der Hand zwischen steilen Felsen umher klettern muß, um
für den Augenblick der Noth Heu zu bekommen — auch sie vergißt
ihre Lieder nicht, die beim Abzug von der Alp wie ein wehmüthiger
Scheidegruß klingen. Für sie war es im Sommer die gröste Freude,
wenn am Ende der Woche ihr „Bua" sich aufmachte und schnell¬
füßig die Berge erkletterte, um ihr seine Huldigung darzubringen.
Am Sonntag hilft er ihr beim Melken und Besorgen der Milch,
dafür kocht sie ihm einen fetten „Almkoch", während sie selber an
dem Weißbrod und Meth sich labt, den jener ihr aus dem Thal
hinaufgebracht. Doch ist Regel, daß die Schwaigerin Sonntags die