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Ihr seidnen Püppchen, trotzet nicht auf euer Milchgesicht!
Ich frage nach des Manns Verdienst, nach seinem Namen nicht.“
6. Da sah man manches Kinderaug' in frohem Glanze leuchten
und manches stumm zu Boden sehn und manches still sich feuchten.
Und als inan aus der Schule kam, da wurde viel erzählt,
wen heute Kaiser Karl gelobt, und wen er ausgeschmält.
7. Und wie's der große Kaiser hielt, so soll man's allzeit halten,
im Schulhaus mit dem kleinen Volk, im Staate mit den Alten:
den Platz nach Kunst und nicht nach Gunst, den Stand nach dem Verstand,
so steht es in der Schule wohl und gut im Vaterland. gKarl v. Geror. 10
254. Karls des Großen Persönlichkeit.
1. Karl der Große war von starkem Körperbau und von hervor—
ragender Größe; seine Länge betrug sieben seiner Füße; er hatte große,
feurige Augen, eine etwas große Nase, schönes Haar und ein freund⸗
liches, heiteres Angesicht. So gewährte seine Gestalt, mochte er stehen 15
oder sitzen, einen hoͤchst würdigen und stattlichen Anblick. Er schritt fest
einher. Seine Haltung war natürlich, seine Stimme hell. Er erfreute
sich einer guten Gesundheit. Nur litt er in seinen letzten Lebensjahren
häufig an Fiebern und hinkte zuletzt auch an einem Fuße. Seine Kraft
war so groß, daß er einen gerüsteten Sarazenen mit einem Schwert- 20
hieb spaltete und Hufeisen mit bloßer Hand zerknickte.
2. Ex ritt und jagte häufig, wie es bei den Franken Sitte war;
denn kein Volk fand sich damals auf Erden, das in diesen Künsten
es den Franken gleichzuthun vermochte. Auch bediente er sich gerne der
warmen Bäder und übte seinen Körper durch Schwimmen, worauf er 26
sich so gut verstand, daß es ihm keiner zuvorthun konnte.
Er kleidete sich nach väterlicher Sitte. Unmittelbar auf dem
Körper trug er ein leinenes Hemd und leinene Beinkleider, darüber ein
Wains mit einer seidenen Einfassung und dazu Strümpfe. Die Beine
gürtete er mit Binden, und die Füße schützte er durch Schuhe; im 30
Winter verwahrte seine Brust und Schultern ein Wams von Fischotter—
und Marderfellen. Darüber warf er einen prachtvollen Mantel.
Stets trug er ein Schwert an seiner Seite, das einen goldenen oder
silbernen Knopf und ein gleiches Wehrgehänge hatte. Bisweilen bediente
er sich auch eines mit Edelsteinen besetzten Schwertes; doch that er das 35
nur bei besonders feierlichen Veranlassungen, oder wenn fremde Gesandte
an seinen Hof kamen. Ausländische Kleidung, und wenn sie noch so
schön war, mochte er nicht leiden. Bei Festlichkeiten aber trug er ein
golddurchwirktes Kleid und mit Edelsteinen besetzte Schuhe; eine goldene