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392. Der Winter in Petersburg.
Petersburgs Klima schwankt beständig zwischen Gegensãtzen.
Im Sommer kann die Hitze, im Winter die Kälteé 37 Grad C betragen
Bei keiner andern Stadt in Europa sind die Unterschiede so gross
Gewöhnlich geht aber das Leben im Winter, es mag regnen oder
schneien, frieren oder tauen, seinen alten, gewohnten Gang. Tag
für Tag knistern die Birkenbaäume im Ofen, einen Tag wie den
andern rutschen die Schlitten in den Stralsen umher; beständig
werden die öffentlichen Wärmestuben für die armen Leute geheizt
10 und regelmässig die öffentlichen Feuer auf der Stralses, in der Nähe
der Theater, für die Kutscher u. s. w. unterhalten.
Nur wenn die Kälte ausnahmsweise sehr hoch steigt, treten
merkbare Veränderungen in der Bewegung auf den Strassen ein.
Wenn es heilst: „Das Thermometer ist auf 25 Grad C herab-
1õ gesunken,“ dann spitzt man die Ohren, beobachtet die Wärmemesser
und zählt die Grade. Bei 30 Grad C wird die Polizei wach; die
Offiziere machen Tag und Nacht die Runde, um die Schildwaehen
und Polizeidiener wach zu erhalten und die im Schlafe Uberraschten
auf der Stelle tũchtig strafen zu lassen; denn der Schlat ist in diesem
20 Falle das sicherste Mittel zu einem sanften Hinübergleiten aus dieser
Welt in jeneè. Bei solcher Kälte hören die Theater auf zu spielen,
weil nicht mehr die nötigen Sicherheitsmalsregeln für die Schau
spieler und für die Kutscher getroffen werden können. Die Fuls—
günger laufen alsdann so eilig, als hätten sie die wichtigstoen Ge-
25 schäfte, und die Schlitten, die schon vorher ziemlich flink sich
bewegten, fliegen nun im Galopp über den schreienden Schnee. Ge-
sichter bekommt man dann gar nicht mehr ault der Strasse zu sehen;
denn alles hat sich die Pelze über Kopf und Hut gezogen. Die
Furcht, Augen, Ohren und Nase durch den Frost zu verlieren, be—
30 ängstigt jeden, und da sich das Abfrièren durch kein unangenehmes
Gefühl ankündigt, so hat man genug zu denken, dasls man nicht eins
der verschiedenen Glieder des Körpers vergesse, sondern zu Zoeiten
etwas reibe. „Väterchen, deine Nase!“ erinnert der Vorũübergehende
den Entgegenkommenden und reibt ihm ohne Umstände seine kreide—
85 weisse Nase mit Schnee ein. NMit den Augen hat man ebenfalls viel
zu thun, weil sie alle Augenblicke zusammenfrièren. Man tappt dann
in die erste beste Hausthür hinein und bittet die Leute auf ein paar
Augenblicke um ein Plätzchen am Ofen, indem man hinterher eine
zertaute Thräne des Dankes dafür vergielst. Das unmãässige Brannt⸗
10 weintrinken vergrölsert die Gefahr sehr; denn Trunkenheit und Schlas
sind beim Froste das Allergefährlichste.