Full text: [Dritter Teil = 5. bis 8. Schuljahr, [Schülerband]] (Dritter Teil = 5. bis 8. Schuljahr, [Schülerband])

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21. Das ist im Leben häßlich eingerichtet. 
1. Das ist im Leben häßlich eingerichtet, 
daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn, 
und was das arme Herz auch sehnt und dichtet, 
zum Schlüsse kommt das Voneinandergehn. 
In deinen Augen hab ich einst gelesen, 
es blitzte drin von Lieb und Glück ein Schein: 
Behüt dich Gott! es wär zu schön gewesen, 
behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein! — 
2. Leid, Neid und Haß, auch ich hab sie empfunden, 
ein sturmgeprüfter, müder Wandersmann, 
ich träumt von Frieden dann und stillen Stunden, 
da führte mich der Weg zu dir hinan. 
In deinen Armen wollt ich ganz genesen, 
zum Danke dir mein junges Leben weihn: 
Behüt dich Gott! es wär zu schön gewesen, 
behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein! — 
3. Die Wolken fliehn, der Wind saust durch die Blätter, 
ein Regenschauer zieht durch Wald und Feld, 
zum Abschiednehmen just das rechte Wetter, 
grau wie der Himmel steht vor mir die Welt. 
Doch wend es sich zum Guten oder Bösen, 
du schlanke Maid, in Treuen denk ich dein! 
Behüt dich Gott! es wär zu schön gewesen, 
behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein! 
Joseph Viktor von Scheffel. 
22. Der geheilte Patient. 
Reiche Leute haben trotz ihrer gelben Vögel doch manchmal auch 
allerlei Lasten und Krankheiten auszustehen, von denen, gottlob! der 
arme Mann nichts weiß; denn es gibt Krankheiten, die nicht in der Luft 
stecken, sondern in den vollen Schüsseln und Gläsern und in den weichen 
Sesseln und seidenen Betten, wie jener reiche Amsterdamer ein Wort 
davon reden kann. 
Den ganzen Vormittag saß er im Lehnsessel und rauchte Tabak, 
wenn er nicht zu träge war, oder hatte Maulaffen feil zum Fenster 
hinaus, aß aber zu Mittag doch wie ein Drescher, und die Nachbarn 
sagten manchmal^ „Windet's draußen, oder schnauft der Nachbar so?" 
— Den ganzen Nachmittag aß und trank er ebenso, bald etwas Kaltes, 
bald etwas Warmes, ohne Hunger und ohne Appetit, aus lauter Lange¬ 
weile, bis an den Abend, also daß man bei ihm nie recht sagen konnte, 
wo das Mittagessen aufhörte, und wo das Nachtessen anfing. Nach
	        
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