D. Die Heimatflur im Jahreslaufe.
Die Mutter unsrer Fliege bewohnte den Pferdestall, und dort
legte sie auch ihre Eier. Es waren deren 80. Eine gute Henne
legt höchstens jeden Tag ein einziges Ei und wird dann schon als
fleißbig gerühmt; die Fliege dagegen war schon in einer Viertel-
stunde mit allen 80 Eiern fertig. 24 Stunden später war unsre
Fliege bereits als winzige Made ausgeschlüpft. Die Made speiste
nun Tag und Nacht mit ihren 79 Geschwistern um die Wette
Nach 14 Tagen war sie ausgewachsen; sie war 10 Millimeter groß
geworden, etwa so lang wie der Nagel am kleinen Finger. Jetzt
hörte sie mit Fressen auf; ihre weiche, weißbe Haut ward hart und
rotbraun. Das Tierchen schrumpfte zusammen, ward dicker und
kürzer und sah fast aus wie eine Tonne.
Auberlich erschien das Tönnchen tot; innerhalb desselben aber
arbeitete es rastlos weiter. Nach 14 Tagen sprang der Deckel der
Tonne auf, und unsre Stubenfliege schlüpfte in ihrer vollendeten
Gestalt hervor. Die Flügel waren noch klein und zusammen—
geknittert; der Kopf hatte seine beiden groben Augen, und durch
ein fadenfõrmiges Stielchen hingen Kopf und Brust zusammen.
So saß das neugeborne Geschöpf zunächst ein wenig still im
warmen Sonnenscheine, dann versuchte es seine Flügel; sie
schwirrten, und mit Gesumme ging die Reise fort. Das Stuben-
fenster stand offen; der ungebetene Gast war da. Im Hause traf
die wandernde Fliege zahlreiche Verwandte. Da aber keine von
ihnen je ihre Eltern gekannt hatte, so wußte auch keine, wie weit
etwa die Vetterschaft her sei. Aber es ist leicht möglich, daß die
Tausende, die im Sommer um unsre Suppenteller schwärmten,
von einem einzigen Fliegenpaare herstammten, welches im Frũüh—
jahre im Hofe oder Garten ausgekrochen war. Kaum war unsre
Fliege da, so hatte sie auch schon entdeckt, daß auf dem Tische
etwas Leckeres zu schmausen war. Schnell beseuchtete sie mit
ihrem Rüssel ein Zuckerkrümchen und sog es auf, nachdem es sich
gelõst hatte. Als die Fliege mit ihrer Mahlzeit zu Ende war, putzte
sie sich; sie hob die Beine geschickt bis auf den Rücken und
bũrstete die FElüũgel ab, damit ja kein Staubchen daran hafte. So
hat sie es den ganzen Sommer hindurch getrieben. Der Erost
tõtete endlich im Oktober ihre Kameraden; sie aber wußte sich
zu retten. Mutterseelenallein spaziert sie jetzt an der Decke herum,
ohne zu fallen. Wie ist das möglich? Sie hat am Ende des
Fußes weiche Ballen, an denen sich ein klebriger Saft befindet.
Mit diesen klebrigen Fubballen hält sie sich fest.
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