Full text: Erstes Lesebuch für die Mittelstufe (Teil 3, [Schülerband])

6. In Haus und Hof. 105 
Daß sich die Katze nicht bloß mit Mäusen begnügt, sondern auch gar 
zu gern Milch oder sonst etwas Leckeres aus der Küche zu erschnappen sucht, 
ist ja zum Sprichwort geworden. Da sie ein Raubtier ist, zieht sie Fleisch— 
speisen allen übrigen vor, gewöhnt sich aber auch, wenn sie gut erzogen 
wird, an die meisten andern Speisen, welche der Mensch genießt. Son— 
derbar ist der Katzen Vorliebe für Baldrian und Katzenkraut. Finden sie 
eine dieser Pflanzen, so stellen sie gewöhnlich närrisches Zeug an. Sie 
reiben und stoßen sich daran, springen wie toll um sie herum, wälzen sich 
auf dem Rücken und hören meist nicht eher damit auf, bis sie das Gewächs 
umgerannt und die Blätter desselben abgerieben haben. 
Ihr Wohlbehagen gibt die Katze für gewöhnlich durch eigentümliches 
Schnurren oder Spinnen kund. Dabei reibt und streichelt sie sich auch gern 
an denjenigen Personen, welchen sie zugetan ist. Zwischen ihr und dem 
Hunde herrscht eine angeborne Feindschaft. Es kommt aber auch vor, daß 
eine Katze sich einem Hunde freundschaftlich anschließt, mit dem sie von klein 
an aufgewachsen ist. Sie frißt dann von einem Teller mit ihm und legt 
sich auf seinen warmen Rücken, um dort zu schlafen. Auch mit Kaninchen 
und Meerschweinchen, mit Tauben, Staren und andern Tieren hat man 
sie zusammen gewöhnt, und sie haben sich mit denselben wenigstens so lange 
gut vertragen, als reichliches Futter und gehörige Aufsicht da war. 
Man tadelt an den Katzen oft die Falschheit, häufig jedoch mit 
Unrecht. Die Naturen der verschiedenen Katzen sind einander nicht völlig 
gleich. Manche ist empfindlich gegen jede Berührung und mag sich von 
niemand angreifen lassen; andre dulden schon mehr; Mißhandlungen 
dagegen mag keine ungerächt hinnehmen, und dann verteidigt sie sich 
mit Krallen und Zähnen. Es nascht auch die eine Katze lieber als die 
andre. 
Die Katzen haben auch ihre eigne Sprache. Je nach den Umständen 
machen sie sich durch ganz abweichende Töne bemerklich. Die Katze schreit 
ganz anders, wenn sie zu fressen begehrt, als wenn sie gequält wird. 
Sie lockt mit andern Tönen ihre Jungen, und wieder mit andern gibt 
sie ihren Ärger zu erkennen, wenn man ihr das Fressen wegnehmen will. 
Den Hund faucht sie wild an und macht dabei einen Buckel, — alle Haare 
stehen ihr zu Berge. 
Wenn die Katze nur mit Mäusen vorlieb nähme, so wäre ihr jedermann 
gewogen. Aber sie durchstreift auch die Gärten, um die Nester unsrer lieben 
Sänger zu erspähen; sie hascht die ruhenden Vögel oder verscheucht sie; 
deshalb meiden unsre in niedrigem Gesträuch nistenden Singvögel solche Gärten, 
in denen Katzen frei umherlaufen dürfen. Wer die Singvögel lieb hat, 
duldet im Garten keine Katze. 
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