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Deutschen Reiches die hohe Aufgabe erhalten hat, das gesamte sechste
Armeekorps stets tüchtig und wohlgerüstet zu erhalten. In der Nähe
aber harrt das Königliche Schloß jedes neuen Ehrentages, an dem unser
edler Kaiser und König wieder in seiner getreuen Residenzstadt Breslau
weilt; stolz weht dann auf dem Schlosse das Kaiserbanner wie in den
Herzen der Schlesier die Liebe und Treue zu König und Vaterland.
3. Von acht Seiten her gelangen die Schlesier mit der Eisenbahn nach
ihrem „Gruß⸗Brassel“ Beginnen die Vorlesungen auf der Umiversität,
so reisen Jünglinge aus den verschiedensten Orten Schlesiens nach Breslau,
um sich hier zu dem Berufe eines Geistlichen oder Rechtsgelehrten oder
Arztes oder eines Lehrers an höheren Schulen vorzubereiten. Zur Zeit
des großen Maschinenmarktes kommen viele unsrer Landsleute aus allen
Teilen der Provinz auf dem großen Platze vor dem Königlichen Schlosse
zusammen. Das ganze Jahr hindurch aber wird in Breslau ein reger
Handel mit Getreide, Spiritus, Vieh und Wolle betrieben. Stündlich
fahren lange Züge mit Waren der verschiedensten Art in die Bahnhöfe
ein und füllen die Speicher der Stadt. In den Straßen reiht sich Laden
an Laden. An den schönen Sachen, die in den prächtigen Schaufenstern
liegen, kann man sich nicht satt sehen.
4. Wer kann es ausdenken, was alles in den Herzen der vielen tausend
Menschen sich regt, die auf den Straßen aneinander vorübereilen? Die
meisten gehen ihren Geschäften, andre ihrem Vergnügen nach. Doch ach,
wie oft trifft man in der großen, reichen Stadt auch solche, denen die
Angst und Sorge aus dem Gesicht schaut. In Kellern und Dachstuben
mancher Häuser herrscht bittere Not. Barmherzige Menschen suchen hier
überall zu helfen. Ja es sind eine Menge von Anstalten für Arme, Kranke
und Verlassene gegründet worden. So besteht seit fast 400 Jahren in
Breslau das städtische Krankenhospital zu Allerheiligen, das Hospital zu
St. Bernhardin und das Hospital zum Heiligen Geiste, seit fast 200 Jahren
das Kloster der Barmherzigen Brüder und das neu erbaute Krankenhaus
der Elisabethinerinnen im südlichen und das Josephshospital der Grauen
Schwestern im nördlichen Teile der Stadt.
Alte, hilflose Männer finden liebevolle Aufnahme in dem St. Lazarus—
hospitale, während alte und sieche Dienstboten in einem besondern
Hospitale bis an ihr Ende verpflegt werden.
Dienstmädchen, die von auswärts zuziehen, erhalten in dem Marien—
stifte Wohnung und Kost, bis sie in einer Familie untergekommen sind.
Der Pflege erkrankter Kinder dienen die Kinderhospitäler zum Heiligen
Grabe und zur heiligen Anna sowie das Wilhelm-Augusta-Kinderhospital.
Auch eine Taubstummen- und Blinden-Anstalt besitzt die Stadt. In
der evangelischen Diakonissen⸗Anstalt Bethanien, die 1850 gestistet wurde,
werden läglich bis 160 Kranke ohne Unterschied des Bekenntnisses