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den hatte er aus dem Türkenkrieg heimgebracht. Dann entfaltete 
er ein Tuch von türkischer Seide und zog ein Papier daraus hervor 
und las laut vor, wie sie alle Fünf vom Hauptmann mit Ehren 
und großem Lob den Abschied bekommen hätten. 
Von Zeit zu Zeit warfen die Leute neugierige Blicke hinüber 
zu der Türkin. Die hatten die Fünf weit unten im Ungernlande 
bei Ofen gefangen und mit heimgenommen. Sie hieß Fatme und 
war eine Witwe. Auf einem Stuhl konnte sie nicht sitzen. Sie hatte 
sich ins Gras ihren Teppich gebreitet; darauf saß sie in ihren weiten 
türkischen Pluderhosen mit untergeschlagenen Beinen und schaute mit 
ihren schwarzen, umschatteten Augen die Kinder an, die um sie 
standen. Sie hatte ein gelbbraunes Gesicht, kohlschwarze Haare und 
konnte nur die paar Worte deutsch, die sie aus der Reise gelernt 
hatte. „Komm, mein Täubchen!" sagte sie langsam zu einem kleinen 
Mädchen und setzte es auf ihren Schoß, stand aber gleich wieder 
auf und stellte sich demütig und gebückt vor Jörg hin, um ihm 
die Pfeife zu stopfen. 
,Mor dreißig Jahren hätte keiner so rauchen dürfen, wie ihr 
fünf jetzt dampft," sagte ein alter Bauer. „Da war der Brauch noch 
neu und der Tabak kostbar wie eine Medizin. Die Leute gingen 
unvorsichtig mit den Pfeifen um und es kam mancher Brand aus, 
bis das Rauchen ganz verboten wurde. Du hast's wohl bei den Tür¬ 
ken gelernt, Jörg?" 
„Nein, bei den Ungarn/' sagte Jörg. Er zündete die Pfeife an, 
sog ein paar Mal daran und legte sie wieder weg. „Der Tabak 
ist gut," jagte er, „aber die Pfeife schmeckt mir heute nicht!" — 
„Sag uns einmal, Jörg, wie weit seid ihr Fünf eigentlich ge¬ 
kommen?" 
„Bis Wien, Ofen und Belgrad," sagte Jörg. „Vor fünf Jahren 
war's, damals wie in ganz Deutschland von 11—12 Uhr die Türken¬ 
glocke geläutet wurde Der Großwesir Kara Mustapha zog mit der 
heiligen Fahne Muhameds und 200 000 Türken durch Ungarn herauf 
nach Wien. Der Kaiser hatte nur 33 000 Mann Soldaten. Mit 
10 000 ging Graf Stahrenberg in die Stadt, mit den andern reiste 
der Kaiser zurück nach Linz. Die Türken aber kamen vor die Stadt, 
stellten sich in großem Kreise ans und fingen an mit ihren Kanonen 
hineinzuschießen. 
Da zog unser Kurfürst Max Emmanuel mit 12 000 Soldaten 
nach Wien. In Vilshofen stiegen wir in die Schiffe. Wir hatten alle 
blaue Uniformen mit weißen Borten und Schnüren und schöne Feder-
	        
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