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von ihnen, die er sonst verfolgt hatte, wollten nun ihren Haß an ihm
auslassen. Der arglistige Fuchs kränkte ihn mit beißenden Reden; der
Wols sagte ihm die ärgsten Schimpfworte; der Ochs stieß ihn mit
den hrnern; das wilde Schwein verwundete ihn mit seinen Hauern,
und selbst der träge Esel gab ihm einen Schlag mit seinem Hufe.
Das edle Pferd allein blieb schweigend stehen und tat ihm nichts,
obgleich der Löwe seine Mutter zerrissen hatte. „Willst du nicht,“
fragte der Esel, „dem Löwen auch eins hinter die Ohren geben?“
Das Pferd antwortete: „Ich halte es für niederträchtig, mich an
einem Feinde zu rächen, der mir nicht mehr schaden kann.“
Gotthold Ephraim Lessing.
8. Zucht.
„Nicht lass ich mich zäumen“, „Gern ließ ich mich zügeln“,
Schãumt wütend das Pferd; Entgegnet der Springer,
„Ich werde mich bäumen, „Und Schläge und Stich
Mich wälzen zur Erd'; Verschoneten mich.
Und wenn sie mich schlagen, So ward ich ein Ringer
Zerreiß' ich den Wagen Und lernte beflügeln
Und stürze feldein Mich selber zum Ziel.
Durch Klüft' und Gestein; Viel besser gefiel
Denn besser zu sterben, Mir, Zucht zu erwerben,
Als knechtisch verderben.“ Denn zuchtlos verderben.“
A. E. Fröhlich.
VI.
1. Frühlingsglaube.
1. Die linden Lüfte sind erwacht, . Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Sie sãuseln und weben Tag und Nacht, Man weiß nicht, was noch werden mag,
Sie schaffen an allen Enden. Das Blühen will nicht enden.
O frischer Duft, o neuer Klang! Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun, armes Herz, vergiß der Quall
Nun muß sich alles, alles wenden. Nun muß sich alles, alles wenden.
8. Uhland.
2. Künftiger Frühling.
. Wohl blühet jedem Jahre 2. Er ist dir noch beschieden
Sein Frühling mild und licht; Am Ziele deiner Bahn;
Auch jener große, klare, Du ahnest ihn hienieden,
Getrost! er fehlt dir nicht. Und droben bricht er an.
Uhland.