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PV. Bilder aus der Natur.
100. Ein Sommermorgen.
Die Natur feiert an jedem Sommermorgen ein Fest ihrer
eignen Schönheit, und selbst den rohen Wilden erschüttert die
Gewalt dieser göttlichen Erscheinung. Welche Gefühle müssen
des erleuchteten Christen Herz da bewegen!
Die Nacht hat ihr erquickendes Werk vollbracht; sie hat
dem Müden neue Kraft, dem Kranken balsamischen Schlummer,
dem Unglücklichen Trãàume des Trostes gegeben. Nahe ist die
Stunde des Erwachens aller. Schon umschwimmt eine blasse
Damm'rung die Hügel und Wälder; Hütten und Gebüsche treten
schon verworren und klarer aus den geheimen Finsternissen, und
silberweiße Nebel lagern auf den Wiesen und über den Flüssen
enger zusammengedrängt. Zu den Wolken des Himmels steigt
singend die Lerche empor, um den werdenden Tag zu begrüßen;
aus der Ferne herüber tönet des Hahnes Krähen und verkündet den
anbrechenden Morgen. Kalt und düster schweben, wie riesenhafte
Schatten, am Rande des Gesichtskreises die hohen Gebirge.
Immer heller glänzgen die Farben der nahen Gegenstände.
Der Morgenstern funkelt blab über Gewölke nieder, deren Saum
sich in der Tiefe entzündet und mit dunkler Glut über die Fluren
leuchtet. Ein goldnes Feuer strömt durch den ganzen Himmel
herauf; es wird gewaltiger von Augenblick zu Augenblick. Die
Gipfel der Berge lodern wie Flammen auf Opferaltãären; Verklärung
umfliebt die Haine und Höhen, und selbst die Wolken des Abends
leuchten herrlich zurück. Die Vögel in den Gebüschen erwachen
und entflattern ihren Nestern; die Herden werden rege; der thätige
Landmann tritt vor die Hütte in die Wohlgerüche der blumen—
reichen Flur hinaus. Aber tiefe Stille waltet noch immer in der
Welt, und wie in grober Erwartung liegt alles lauschend da.
Und ein kühler Hauch von Morgen her durchschauert alle
Wesen, durchbebt die blühenden Zweige des Baumes, und die
Blumen des Feldes zittern darin. Die Gebirge erglänzen. Wie
schimmernde Rauchsäulen wälzen sich plötzlich die Nebel von
Wiesen und Strömen gen Himmel empor. Es rauscht freudiger
die Welle des Baches; die Lüfte ertôòaen vom Gesange mannig-
faltiger Vögel; frohes Leben rauscht in Dörfern und Städten —
die ganze Erde jauchzt, der ganze Himmel flammt — — die
Sonne ist aufgegangen! O welch ein Gewũhl von reizenden Farben
und Tönenl Welch ein begeisterndes Schauspiel Die Welt-