Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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von eßlustigen Vögeln wollen gesättigt sein! Hunderttausende von Heu— 
schrecken sind tagtäglich erforderlich, um ihnen zu genügen, und wenn 
jener auch Billionen sind, — schließlich werden ihre Reihen doch gelichtet! 
Ein von den Raupen der Nonne oder des Kiefernspinners heim— 
gesuchter Wald ist ein Ort des Grauens und Entsetzens. Der Fuß 
dessen, welcher den Pestort durchwandert, zertritt Dutzende von Raupen 
bei jedem Schritte; ihr Kot rieselt von den Wipfeln herab wie Regen; 
ihr Aas verpestet auf weithin die Luft. Der besorgte Forstmann 
jammert; denn jeder Tag Raupenfraß entwertet den Wald um Tausende 
von Thaͤlern; er bietet alle Mittel auf, umsonst! Der Mensch ist 
den Raupen gegenüber rat-⸗ und thatlos; wenn die Vögel nicht aus 
dieser Not erretlen, kann nur der Himmel helfen. Aber die Vögel 
thun das ihrige redlich und unermüdlich. Die haarigen Raupen selbst 
konnen leider nur vom Kuckuck ohne Schaden gefressen werden, und die 
Kuckucke sind nirgends häufig; aber den Eiern und Puppen des Schmetter— 
lings stellen Tausende fleißiger und geschickter Jäger nach. Alle Arten 
der Klettervögel, die Meisen und die Goldhähnchen sind unablässig 
beschäftigt, Puppen und Eier der Schmetterlinge aufzusuchen und zu 
vertilgen. Es ist eine ausgemachte Thatsache, daß in den Wintern, 
welche auf einen an Raupen reichen Sommer folgen, der verheerte Wald 
von zahllosen Meisen und Goldhähnchenscharen uud vielen Spechten 
aller Art besucht wird. Der gebildete Forstmann weiß, was sie alle 
leisten, und läßl ihnen seinen vollsten Schutz angedeihen. 
Die Spechte und anderen Klettervögel nennt mein Vater die „Wohl⸗ 
thäter der Walder“ und widerlegt schlagend die oft gehegte irrige Meinung 
daß dieselben durch ihr Arbeiten den Stämmen schadeten. Dies ist 
keineswegs der Fall; denn das gesunde Holz greifen die Spechte niemals 
an, sondern immer nur diejenigen kranken Stellen, in welche sich Kerfe ein— 
genistet haben. Alle gebildeten Forstleute sind hiermit einverstanden. 
Außerst nützlich werden auch die Raben, vor allen andern die 
Saatkrähen, durch Vertilgung von Maikäfern (deren ärgste Feinde nur 
sie sind) und Schnecken; nicht minder wohlthätig für die den Menschen 
zunächst angehenden Pflanzen erweisen sich die Bussarde, Turmfalken 
und Eulen. Diese drei Tiere sind die wirksamsten aller Gegner, die 
thätigsten, unermüdlichsten aller Fänger der so überaus schädlichen 
Feldmäuse. Es ist als ein Frevel an der Landwirtschaft anzusehen, 
wenn der ungebildete Mensch sie verfolgt und tötet, um ein Prahlzeichen 
seiner Dummheit ans Hofthor nageln zu können. 
Auch noch auf ein ganz anderes Ergebnis der Wirksamkeit der 
Vögel ist in der Neuzeit aufmerksam gemacht worden. Nicht wenige von 
ihnen nämlich sind bedacht, dem Umsichgreifen des Unkrautes zu wehren. 
Der Landmann, welcher die Waldtauben oder im Herbste Ammer und 
Finken mit mißgünstigem Auge betrachtet, wenn dieselben seine Felder 
nach Futter absuchen, verkennt die Thätigkeit der Vögel gänzlich. Sie 
ersetzen ihm durch dieselbe hundertfach den geringen Schaden, welchen 
sie während der wenigen Tage der Aussaat ihm zufügen. Alle Tauben 
ernähren sich und ihre Jungen fast ausschließlich von den verschiedenen 
Samen allerlei Unkrautes, namentlich der Vogelwicke, Rade, Kornblume,
	        
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