Full text: Lesebuch für die Oberklassen der Volksschulen

21 204 Die Fledermaus. 
große Verbreitung gefunden hat, ist kaum zu denken. Dagegen hat man in 
den Ländern, in welchen die Krankheit nur eine kleine Ausdehnung gewonnen 
hat, mit großem Erfolge den Kampf durchgeführt. Namentlich gilt dieses 
von den befallenen Strichen am Rhein, im Elsaß, in Württemberg und im 
Regierungsbezirk Unterfranken in Bayern. Bei der Bekämpfung dieses In— 
sektes werden die von ihm heimgesuchten und die nahe dabei stehenden Reben 
ausgehauen und verbrannt. In den Boden, auf welchem die Reben standen, 
werden von Strecke zu Strecke Löcher geschlagen, in welche man Schwefel— 
kohlenstoff gießt; die Oberfläche des Bodens wird mit Petroleum übergossen, 
damit nicht nur jede Reblaus sondern auch jedes Reblausei vernichtet wird. 
Neuerdings hat die Reichsregierung eingehende gesetzliche Vorschriften zur 
Bekämpfung des Schädlings erlassen. Möge es der Tatkraft und Umsicht 
der beteiligten Kreise gelingen, eine weitere Verbreitung der Reblaus zu 
verhindern und sie in den von ihr befallenen Weinbaubezirken am Rheine 
und am Maine auszurotten! 
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204. se 
Glaubrecht. 
Kaum ist die Sonne gesunken, so schwirrt pfeilschnell die dunkle 
Gestalt der Fledermaus über dem Haupte des Wanderers. Ihr kleiner, 
weicher Körper hat das sammetne Fell der Maus. Auch die Hinter— 
füße beider Tiere zeigen viel Ähnlichkeit; aber die Vorderfüße sind 
ganz verschieden gebaut. Die Maus hat kurze Füße mit Krallen zum 
Graben; die Vorderbeine der Fledermaus hingegen sind zu Flug— 
werkzeugen umgestaltet. Zwischen ihren ZFehen ist eine graue, zarte 
Haut ausgespannt, ähnlich wie das Zeug zwischen den Stäben eines 
Regenschirms. Diese reicht bis zu den Hinterfüßen. Sie kann aus— 
gebreitet und zusammengeklappt werden. Mit Hilfe der Haut flattert 
die Fledermaus vortrefflich. Bald segelt sie in bedeutender Höhe und 
erschnappt dort Fliegen; gleich darauf schießt sie herunter auf das Wasser 
und erhascht Mücken und Käfer. Beim Insektenfange wird sie weniger 
durch das Auge als durch die außerordentliche Feinheit ihres Ge— 
fühls in der Flughaut sowie durch ihren ausgebildeten Geruchssinn 
und ihr feines Gehör unterstützt. Wir erkennen die kleinen Tierchen, 
von denen die Fledermaus lebt, selbst bei hellem Sonnenscheine nur mit 
L Můhe; sie erspäht dieselben bei finsterer Nacht. Wir stolpern in der 
Dunkelheit oft auf ebenem Wege; sie schwirrt in der Nacht zwischen den 
Zweigen der Bäume hindurch. Von fern schon vernimmt sie das 
Summen des Mückenschwarms und des einsamen Käfers sowie den 
leisen Flügelschlag der Eule, welche ihr mit Ulaue und Schnabel droht. 
Sobald der Tag anbricht, suchen die Fledermäuse ihre Schlupf— 
winkel auf. Einige kriechen in hohle Bäume; andere verstecken sich
	        
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