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sein. Der Geburtstag eines jeden Kindes wird in seiner Familie gefeiert und
auch bei der Andacht der ganzen Anstalt erwähnt. Gesang von geiftlichen und
Volksliedern wird sorglich gepflegt Er verschönert die Feste, deren Feler nicht
selten die ganze Anstalt versammelt. Namentlich zu Weihnachten wetteifern
die Familien und die Kinder, sich gegenseitig mit Geschenken zu überraschen,
die sie nach eigener Erfindung und mit eigener Hand hergestellt haben.
Die Mädchen werden, wenn sie herangewachsen sind, meist in Dienste
gebracht; die Knaben kommen in die Lehre. Manche von den Kunaben bleiben
auch als Lehrlinge und Gesellen noch in der Anstalt, namentlich in der Buch—
druckerei. Einige treten später selbst unter die Brüder des Rauhen Hauses. 10
Diese Brüder sind Handwerker oder Lehrer, Kaufleute oder Landleute, die als
Helfer in das Haus eingetreten sind. Sie werden von dem Vorsteher und
dem Inspektor und von jungen Theologen, die Oberhelfer heißen, unterwiesen
und für ihren Beruf vorgebildet. Sie stehen im Rauhen Hause den Familien
vor. Viele von ihnen gehen später anderweit in den Dienst der inneren 15
Mission. Sie werden Haäusväter an andern Rettungshäusern, Stadtmissionare
im großen Städten, Wärter und Inspektoren an Gefängnissen u. dergl. m.
und tragen so den Segen des Rauhen Hauses in weitere Kreise.
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241. Hamburg.
(Thomas.)
Hamburg ist die bedeutendste, grössste und reichste Hafenstadt Deutsch-
lands, wenn nicht des ganzen europäischen Pestlandes. Gleich der an-
Schwellenden Flut, welebe die Kanäle der Stadt füllt, strömt und wogt hier
las Leben, das mit hunderttausend unsichtbaren Händen gewaltig ineinander
greift. Hamburgs Lage an dem breiten, tiefen Elbstrome, in welchen hier
die schiffhare Alster mundet, ist eine überaus günstige. Mit der Ebbe segeln
lis Schiffe seewarts, vahrend die FPlut die ankommenden sicher in den Hafen
trägt und die Kanäls der Stadt mit Wasser fülll. Wer aus dom inen
Deutschland sich hier zum ersten Mal der Nordsee näàhert, wird von eigenen
Gefuhlen erfũllt werden. Eine volehe Vawervelt hat er noch nie geschaut;
Mischen einem ganzen Walde von Masten, welehe die Hafen Hamburgs
erfüllen, streckt sieh die weite Handelsstadt aus. Begleite mich auf einer der
ITollen nach dem Binnenhafen, mitten dureh die Handelsschiffe aller Nationen
hindureh und von da nach dem Baumbause. Überall umschvärmt uns das
tegste Leben. Velehe Menge von Virtshausern, Warenlagern und Gewölben,
Alle mehr oder minder für die Bedurfnisss des Seefahrers beredunet. Si
lie Aushängeschilder; neben der deutschen erscheint auch die englische und
französischo, ja selbst die spanische Sprache. Achte auf die Sprachen der
Matrosen und Schisfsloute; ist es nicht, als befanden wir uns in einem Babel
öder in irgend einem vwildfremden Lande, da selbst das Plattdeutsche des
nordischen Schiffers uns unverständlich ist? Ja selbst der uns s0 woll
bekannte Elbstrom scheint ein ganz anderer zu sein; man fühlt, dals Hamburg
Ane Weltstadt* ist. Ales erinnert an das See- und Matrosenleben. Begieb
dieh n Backer, und du findest Massen von Schiffszwieback, beim Fleischer
gewaltige Vorräte eingepökelten und geräucherten Fleisches. Nimm ein
Zeitungoblatt in die Hand und Ues diese Anzeigen in mehreren Sprachen für
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