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die Schiffskapitànes. Dieser Kaufmann empfiehlt Spiritus und spanische
Weine, jener dort Ankertaue und Teer, ein dritter hat grosse Lager blau—
oder rotgestreifter Matrosenhemden, ein vierter wollene Mützen und Tücher,
wie sie diese wetterbarschen Menschen bald um den Hals, bald um den Leib
b zu schlagen pflegen.
Folge mir an das mit Kranen zum Ausladen der Schiffsgüter reiehlich
besetzte Bollwerk; sieh die mussigen Schiffer, welche den Vorubergehenden
ihre Jollen zu einer Vahrt in den Hafen anbieten! Und wie wird dieser in
allen Richtungen durchkreuzt! Dies sind nicht bloss Fahrten zum Vergnügen
10 und zur Befriedigung der Schaulust, da sind es bald Reeder, bald Geschafts-
leute, bald Mäakler, welehe bald nach dem, bald nach jenem Schiffe fahren, um
Befehle zu überbringen oder eingekommene Waren an Bord zu besichtigen.
Pfeilschnell schiesssen die kleinen Jollen in den engen, von den Schiffen frei-
gelassenen Gassen hindureh; denn gewandt, wie dieé Droschkenkutscher in
15 Paris oder London ihre Fubrwerke, verstehen diese Schifför ihre Jollen zu
regieéren. Vast unbeimlich wird uns in unsereèr Nussschals, wenn wir neben
den palastähnlichen Kauffahrteischiffen vorbeifabren, jenen stolzen Drei-
mastern, von denen mancher schon die fernsten Länder des Erdballs besuchte
und nach Sturm und Wetter seine reichen Lasten glücklich in den heimischen
Hafen brachte. Sieh auf jenem Verdeck die Matrosen in schwerer Arbeit,
jene sonnverbrannten Gesellen mit schwarzbrauner Haut und nervigem Arm.
Höre, wie sie unter stossweisem Gesange schwere Lasten aufwinden. — Hier
weht die weiss- und rotgestreifto Plagge Nordamerikas neben dem blutroten
Banner Englands, da ein Stadtwimpel neben der stolzen Flagge des Wolt-
umseglers. Hier hört man ein rauhbes nordisches Lied, dort die sanfte
italienische Canzone oder einen spanischen Gesang; da schallt uns ein
britischer, französischer, dänischer Fluch, dort ein treuherziges , Willkommen“
entgegen. Die buntesten, wechselvollsten Bilder sind es, welehe uns umgeben.
Doch zurũck in die Strassen der Stadt, hin nach der neuen Börse. Nicht
30 Hunderte, sondern Tausende von Kaufleuten wandern hier auf und ab. Es ist
eben Börsenzeit zwischen 1 und 3 Uhr nachmittags. In der grossen 40
Meter langen, 20 Meter breiten und 25 Meter hohen, von Bogengängen
umgebenen Börsenhalle vimmelt es von Käufern und Verkäufern. Zucker,
Kaffee, Gewurzholz, Seiden- und Wollstoffe, Kunstgegenstände, Gold, Silber,
Staatspapiere und Aktien werden hier bald ausgeboten, bald verlangt. Sieb
die Menge der Makler, welehe in allen Handelsgegenständen Geschäfte
machen, wie sie bald Schlusszettel über abgeschlossenen Handel schreiben,
bald überreden, bald Streitigkeiten schlichten, bald Aufträge annehmen und
geben. PVuür jedes Bedürfnis haben sie ein Auskunftsmittel. Sie sind die
unentbebrlichen Vermittler z2wischen Kaufer und Verkäufer im Handel
Hamburgs, wie aller grosson Handelsstädte. Jeden Tag werden Auktionen
in Waren teils von ihnen abgehalten, teils besucht. Ganze Schiffsladungen
werden sogleieh naecb der Ankunft der Schiffé versteigert. Die oberen
Raume der Börse sind zu solchen auktionen eingerichtet. Dort steht der
eben angekommene Schiffskapitàn mit noch etwas gespreizten Beinen, als ob
das Festland dem unruhigen Weltmeere gliche, den breiten Hut in die augen
gedrückt und beide Hände in den Rocktaschen, vor seinem Reeder, einem