Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

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wird nicht aufhören", erwiderte der aufgebrachte Beamte, „wenn Ew. 
Majestät dem Publikum die Pfaueninsel nicht verschließen lassen!" — 
„Was kann denn", entgegnete der König, „das Publikum dafür, wenn 
unter Tausenden ein Ungezogener ist, der die verstattete Freiheit mi߬ 
braucht? Die Insel ist ja nicht für mich allein da; ich kann doch nur 
selten hier sein, und wozu denn alle diese Schönheiten, namentlich die 
schnell verblühenden Blumen, wenn sonst niemand seine Freude daran 
haben soll?" Als nun aber der Hofgärtner bat, daß der begangene 
Raub bestraft und der Thäter zur Verantwortung gezogen werden möge, 
wollte der König dessen Namen nicht einmal wissen, sondern fiel schnell 
abwehrend ein: „Nein, nein, ich will den Namen gar nicht wissen! 
Habe darin ein unglückliches Gedächtnis; der könnte mir wieder ein¬ 
fallen, wenn der Mann späterhin vielleicht etwas zu bitten haben sollte, 
und es würde ihm dann der unangenehme Eindruck, den er auf mich ge¬ 
macht, vielleicht nachtheilig sein. Vergeben und vergessen!" Eyl-rt. 
400. Der Blitzableiter. 
Auf den Dächern mancher, besonders großer Häuser sind eine oder 
zwei senkrecht emporstehende Eisenstangen mit vergoldeten Spitzen ange¬ 
bracht. Von ihnen gehen eiserne oder kupferne Leitungen an dem Dache 
und an den Mauern herunter in die Erde. Das sind Blitzableiter. 
Aber wie soll eine solche Stange ein Schutz, gegen die furchtbar zuckenden, 
zermalmenden Blitze sein? Höre! 
Ein kluger Manu in Amerika, Namens Franklin, machte einst 
einen großen Drachen (eben so einen, wie ihn die Knaben im Herbst 
steigen lassen), dessen Spitze oben von Eisen war und der unten in Zeinen 
eisernen Draht endigte, welcher statt des Bindfadens bis zur Erde reichte. 
Diesen Drachen ließ er während eines Gewitters emporsteigen, und siehe, 
sobald die Gewitterwolken sich ihm näherten, fuhren die feurigen Blitze 
an dem Drahte herab in die Erde. Bei solch' einem Versuche wurde 
einmal ein unvorsichtiger Mensch erschlagen. Dieses Herabgleiten der 
Blitze brachte den Franklin auf die schöne Erfindung der Blitzableiter. 
Die Spitzen der auf dem Dache aufgerichteten Stangen vergoldet man, 
damit sich kein Rost ansetzt, wodurch das Herableiten des Blitzes ver¬ 
hindert würde. Statt der Eisenstangen, die sich über das Gebäude hin¬ 
ziehen, kann man auch Knpferdraht benutzen. Wenn ein Blitzstrahl auf 
das Gebäude herabschießt, so wird er durch die Spitze der eisernen 
Stange angezogen und, ohne Schaden zu thun, in die Erde geleitet. 
Der Blitz nämlich fährt gern in erhabene Gegenstände. Daher darf man 
sich während eines Gewitters nicht unter einen Baum stellen. Denn je 
feuchter das Holz, desto besser dient es dem Blitze zur Herableitung in 
die Erde. Aber was ist denn der Blitz nun eigentlich? ■— Wenn du 
einen Brief geschrieben und versiegelt hast, da hältst du den Siegellack 
in der Hand. Denkst du da wohl, daß du einen kleinen Bruder vom 
furchtbaren Blitze in der Hand trägst? Wenn du Silber- und Kupfer¬ 
münzen in den Beutel steckst, glaubst du, daß in ihnen eine Kraft sitzt, 
die Ochsen tobten und Häuser anbrennen, ja sogar Eisen und Diamanten 
schmelzen kann, ohne daß du es siehst! 
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