Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

Hellklar mein Auge schauet;. 
Allsehend dünkt mich's gar; 
Mein Ohr zum Allvernehmen 
Geschärft ist's wunderbar."" 
stnd als sie nun gestiegen 
Zur Höh' aus tiefer Kluft, 
Vor seinem Blick zerrinnet 
Der fernste Nebelduft. 
Er siehet über die Berge, 
Sieht weithin über den Rhein, 
Weithin in den fernen Westen, 
Ins ferne Frankreich hinein. 
Er schaut wie deutsche Heermacht 
Mit Frankreichs Scharen ringt, 
Das welsche Heer und den Kaiser 
Im Siege niederzwingt; 
Er schaut in der Schar der Sieger 
Eine greise Heldengestalt 
Das ist, er ahnt es im Geiste, 
Die Säule der deutschen Gewalt. 
Er hört durch Deutschlands Gauen 
Schallen den Hymnenklang, 
Zu König Wilhelms Ruhme 
Den hellsten Heldensang. 
Da hat der Hohenstaufe 
Sein stolzes Haupt geneigt 
Und auf den Hohenzollcr" 
Mit segnender Hand gezeigt: 
„Mehr wahrlich als ich "vor Zeiten 
Erhobst du Deutschlands Macht, 
Du hast mein Volk geeinigt, 
Das hab' ich nicht vollbracht. 
Du hast die Kraft des Reiches 
um Heile nur verwandt, 
ch habe sie fast verschwendet 
u knechten ein freies Land. 
Heil dir, du glücklicher Enkel! 
Die Kaiserkrone nimm du; 
Ich aber, den du erlöset, 
Geh ein zur ewigen Ruh." H. Hölty. 
448. Berlin. 
Berlin liegt mitten in der Geestfläche, nur 115 Fuß über dem Meere, 
an der für kleine Fahrzeuge schiffbaren Spree. Die Stadt steht durch 
diesen Fluß mit der Elbe und Oder in fahrbarer Verbindung; dazu 
kommen verschiedene Eisenbahnen, durch die sie der Nord- und Ostsee, 
sowie dem Innern Deutschlands nahe gerückt ist. 
Das Aussehen der Stadt ist ein durchgehend neumodisches. Nur 
wenige von ihren 476 Straßen und Gassen sind eng und krumm; manche 
bestehen aus lauter großartigen Häusern, und fast überall ziehen sich 
schöne Wege zu beiden Seiten der Straßen für die Fußgänger hin. Die 
herrlichste aller Straßen ist die unter den Linden; sie ist 72 Schritte 
breit und 1600 Schritte lang. In schnurgerader Linie und abgemessenen 
Zwischenräumen stehen in zwei langen Reihen Linden- und Kastanienbäume 
und bilden einen grünen Wald, inmitten der glänzendsten Straße der 
Residenz. Die Straße besteht aus fünf Theilen. In der Mitte ist eine 
breite, nur für Spaziergänger bestimmte Allee; neben dieser läuft zu 
beiden Seiten ein Weg für Reiter, den abermals Baumreihen einfassen, 
alsdann folgt aus jeder Seite die Fahrstraße, und nun erst kommt der 
Fußweg an den Häusern hin. An einer Stelle wird die Straße von 
der über Fünfviertelstunden langen schnurgeraden Friedrichstraße durch¬ 
schnitten. 
An prächtigen Gebäuden ist Berlin sehr reich. Da steht am Ende 
der Linden das große königliche Schloß am Schloßgarten. Hoch über 
das Dach erhebt sich die mit Kupfer bedeckte Kuppel mit dem vergoldeten 
Kreuze darüber und der Inschrift um den blauen Ring der Kuppel: In 
dem Namen Jesu sollen sich beugen aller derer Kniee, die im Himmel 
und auf Erden und unter der Erde sind. Ein anderes mächtiges Ge¬ 
bäude ist das Zeughaus, in welchem die Siegeszeichen angesammelt 
sind, welche die preußischen Heere zu verschiedenen Zeiten den Feinden 
abgenommen haben. Auch befindet sich hier das Magazin für das Kriegs- 
geräth. In dem unteren Raume finden sich Geschütze und Wagen, während
	        
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