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Knaben von den Knappen in den ritterlichen Künsten unterwiesen
wurden, beschäftigten sich die Frauen in ihren stillen Wohnungen mit
der Erziehung ihrer Töchter, der Aufsicht über das Hauswesen und
weiblichen Arbeiten, besonders Stickereien. Sie stickten zierliche Ge—
wänder, Mäntel, Teppiche, Decken für die Rosse, Banner und der—
gleichen, und ihre Hoffräulein und Dienerinnen, deren Zahl übrigens
sehr beschränkt war, halfen ihnen bei diesen Arbeiten oder leisteten
ihnen wenigstens Gesellschaft.
Der Einförmigkeit des häuslichen Lebens entsprach die Einfach—
heit der Wohnungen. Man würde in der Tat kaum begreifen können,
wie in den kleinen Gemächern der meisten Burgen, die nur von einigen
übergroßen Räumen unterbrochen wurden, für einen großen Hausstand
Platz sein konnte, wüßte man nicht, daß die Herren mit ihren Dienern
und Dienerinnen damals weit mehr zusammenlebten, daß sie sich in
gemeinsamen Räumen mit denselben aufhielten und auch ihre Freude
nielfach mit ihnen teilten. Noch einfacher waren die städtischen Wohn—
häuser. Während Kirchen, Rathäuser und andere öffentliche Gebäude
mit der größten Pracht ausgestattet wurden, waren noch im drei—
zehnten Jahrhundert viele Häuser in den italienischen Städten mit
Schindeln und Stroh gedeckt, und obgleich es schon im zwölften Jahr—
hundert in Deutschland dreistöckige, in Paris vierstöckige Häuser gab,
so dürfen wir uns doch darunter keineswegs prächtige Gebäude vorstellen.
Dem Außeren der Häuser entsprach auch die innere Einrichtung
derselben. In den Ritterburgen fand man bei aller Einfachheit des
Hausgerätes doch wohl kostbare Teppiche auf Tischen, Ruhebetten und
Fußböden, prächtige Vorhänge, schwere silberne, oft vergoldete Kannen,
Becher, Schüsseln, Waschbecken. Weit einfacher sah es in den bürger—
lichen Wohnungen aus. Schmuck- und kunstlos, nur auf das Bedürfnis
berechnet, war der Hausrat. Mann und Frau aßen von einem und
demselben Teller. Ein oder zwei Becher reichten aus für die ganze
Familie. Messer und Gabel dienten für mehrere Tischgenossen zugleich.
Die Glasur irdener Gefäße kam erst jetzt auf. Kerzen hatte man noch
nicht, sondern nach fröhlichem Schmause ließen sich die Gäste mit
Fackeln oder Laternen nach Hause leuchten. Selbst in wohlhabenderen
Familien hatte der Sohn keine eigene Wirtschaft, sondern wohnte mit
seiner jungen Frau in einem Hinterstübchen des elterlichen Hauses.
Dabei fehlte es aber in jenen düsteren Räumen durchaus nicht an
Heiterkeit und Frohsinn. Sang und Klang war überall, und in mancher
deutschen Stadt gab es eine unglaubliche Menge von Spielleuten,
welche ihre Harfen, Fiedeln, Pfeifen und Zinken ertönen lieen
Wernicke.