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Aber glühend ist der Sand, der zum Lager werden muß; heiß und drückend
die Luft, die man atmet. Mattigkeit und Schlaffheit bemächtigen sich
selbst der Eingebornen, um wieviel mehr des Nordländers. Man ersehnt
Ruhe, ohne sie zu finden, Erquickung, ohne sie zu genießen. Von dem
überquellenden Licht und der flimmernden Luft geblendet, schließt man die
Augen. Von der sengenden Hitze gequält, von dem brennenden Durst gepeinigt,
wälzt man sich schlaflos auf seinem Lager. Bleiern schleichen die Stunden.
Der Lastzug schwankt langsam vorüber und entschwindet dem Auge
in einem dunstigen Luftsee, auf dessen wogenden Wellenschichten die Kamele
zu schweben scheinen. Die Sonne hat die Mittagshöhe längst überschritten;
aber nach wie vor sendet sie ihre glühenden Strahlen mit gleicher Stärke
hernieder. Endlich, in den Spätnachmittagsstunden, bricht man von neuem
auf. Und wiederum ein Ritt, daß die rasche Bewegung einen beinahe
kühlenden Luftzug entgegenführt, bis die Lastkarawane wieder in Sicht
kommt und bald darauf erreicht wird. Singend schreiten die Kamelführer
hinter ihren Tieren einher. Einer von ihnen trägt das Lied vor; die übrigen
schließen jeden einzelnen Vers mit regelmäßig wiederkehrendem Endreim.
6. Es naht die Nacht. Wer sie zu schildern vermöchte, die Nacht
in der Wüste, ein Dichter müßte er sein! In nie geahnter Helle und
Reinheit leuchten die Gestirne am dunkeln Himmelsdome. Mit vollen
Zügen atmet der Mensch die reine, frische, kühlende, erquickende Luft. Mit
Entzücken läßt er sein Auge von einer Sonne zur andern schweifen. Kein Laut,
kein Geräusch, nicht einmal das Zirpen einer Heuschrecke unterbricht ferner—
hin sein Sinnen und Denken. Die Großartigkeit und Erhabenheit der Wüste
wird ihm erst jetzt erkennbar; ihr unsäglicher Frieden zieht ein in sein Herz.
Nach leiblicher und geistiger Erquickung, wie sie die Nacht der Wüste
bietet, trägt sich die Beschwerde des kommenden Tages leichter, so viele
Überwindung es auch kosten mag, das sich stündlich mehr und mehr ver—
schlechternde Wasser zu trinken. Wirkliche Ruhe, ungetrübtes Behagen
bringt erst der eaen am Wüstenbrunnen. Am Brunnen der ODase
wird der Tag zum Feste, der Abend zur harmlos heitern Feier, die Nacht
zur wirklich erlabenden Ruhezeit.
Je mehr man mit der Wüste vertraut wird, um so weniger empfindet
man ihre Mühsale und Beschwerden. Dessenungeachtet bringen doch erst
die letzten Stunden der Wüstenreise die höchsten Wonnen. Wenn das
erste Palmendorf des bebauten Landes, wenn das Silberband des heiligen
Stromes wiederum vor dem Auge liegt, neigt sich die Qual ihrem Ende
zu. Mit letzter Kraft streben die Kamele vorwärts, ihren ungeduldigen
Reitern noch viel zu langsam. Da klingen diesen freundliche Grüße ent—
gegen; das Dorf am Nil ist erreicht. Aus allen Hütten hervor drängen