Die deutschen Einheitsbestrebungen.
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feit. Männer wie Stein, Gueisenau, Schön n. a. wurden verdächtigt, der
Turnvater Jahn, E. M. Arndt und viele andre patriotische Männer wurden
verhaftet und einzelne jahrelang gefangengehalten.
Die unausbleibliche Folge war, daß in der Einigungsbewegung eine mehr¬
jährige Stockung eintrat. Fast alle freiheitlich gesinnten Männer wandten sich
ganz vom Bunde und dem Bundestage ab und beschränkten sich darauf, im
heimischen Staate ihre freiheitliche Gesinnung zu betätigen. Einige jedoch
ruhten und rasteten anch fernerhin nicht, den Gedanken eines geeinten deutschen
Reiches im Volke zu verbreiten. Am 27. Mai 1832 wurde auf den Abhängen
des Hambacher Schloßberges in der Rheinpfalz eine große Versammlung Ham-
von etwa 40000 Teilnehmern abgehalten und von den Rednern die kommende »ergwt.
Freiheit und deutsche Einigung gefeiert. Die Folge war eine Reihe von
Bundesgesetzen nach dem Karlsbader Muster. EinJahr später vereinigte sich
eine Schar (51 Mann) Gleichgesinnter, um den Bundestag zu überfallen, ihn ge¬
fangen zu nehmen und die deutsche Revolution zu verkünden. Selbstverständlich
benutzte Metternich auch dieses mit lächerlichen Mitteln unternommene „Frank- Frank-
furter Pütschleiu", um die Einigungsbestrebungen schwer zu schädigen. Jetzt mm-
trat völlige Ruhe ein, die auch die aufreizenden Lieder einer Gruppe revo- Iein-
lutionär gesinnter Dichter (Heine, Börne u.a.) nicht zu stören vermochten.
Gegen Ende der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. brachten zwei
Ereignisse eine gewaltige Erregung unter dem gesamten deutschen Volke
hervor und erweckten aufs neue die alten Wünsche und Hoffnungen, die nun
nicht mehr zur Ruhe kommen sollten. Das erste dieser Ereignisse war die
Aufhebung der Verfassung in Hannover durch Ernst August und die staats=
damit verbundene Maßregelung der sieben Göttinger Professoren. (Vgl.
S. 59!) Nicht bloß in Hannover, sondern in ganz Deutschland entstand eine n0Der-
gewaltige Aufregung. Man erhob beim Deutschen Bunde Beschwerde gegen
den König, wurde aber abgewiesen. Die Antwort erschütterte das Ver¬
trauen zum Bundestage aufs tiefste. Wer sich bisher noch in das politische
Leben des heimatlichen Staates zurückgezogen hatte, schloß sich jetzt mit Gleich¬
gesinnten wieder zu gemeinsamer nationaler Arbeit zusammen. Dazu war
es auch hohe Zeit; denn die Franzosen hatten wieder Gelüste nach dem Fran-
Rheine. Aber sie fanden das deutsche Volk in einmütiger Begeisterung auf «lem*
der Wacht. Namentlich in Cöln kam die nationale Gesinnung zu freudigem 9eIüfte'
'Ausdruck in dem Beckerschen Liede
„Sie sollen ihn nicht haben,
den freien deutschen Rhein!"
4. Friedrich Wilhelm IV. und der Einheitsgedanke.
Preußen hatte sich wiederum am zuverlässigsten erwiesen, sein Heer war zuerst
auf dem Plane erschienen. Auch in der Zukunft, so sagte man sich, wird man die
Geschicke Deutschlands den Händen Preußens am ersten mit Ruhe anvertrauen
können. Als nun im selben Jahre Friedrich Wilhelm IV. den preußischen
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