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Der Kaiser: Die Militairpolicei muß sich auf die Studenten erstrecken, wie 
auf Jedermann. (Dann trat er zu den Kreisdeputirten.) „Wer ist Ihr Vorsitzender?" 
Der General von Gersdorf zeigte auf den Freiherrn v. Werthern, und der 
Kaiser richtete einige wenige Worte an ihn, die ich nicht verstand. Dann begab 
er sich zu der Deputation der Universität, während er dem General v. Gersdorf 
sagte, sie müsse ihre eigene Gerichtsbarkeit verlieren. Den Doktoren Diemer und 
Clodius, die nun vortraten um zu sprechen, sagte er: 
„Die Professoren haben die Studenten conjugireu und deeliniren zu lehren, 
und wenn sie nicht lernen, ihnen die Peitsche zu geben; von nun an sind sie der 
allgemeinen Polizei unterworfen, sie haben keine besondere Gerichtsbarkeit mehr; die 
mag in alten Zeiten gut gewesen sein." 
Die beiden Professoren erwiderten etwas darauf, aber so leise, daß ich es 
nicht verstehen konnte. Der Kaiser gab seine Mißbilligung zu erkennen und sagte: 
„Sie sind Alle Pedanten und Jlluininaten." 
Darauf wendete er sich an den Bürgermeister Hermann als Organ des Stadt¬ 
raths, und der General von Gersdorf sagte zu dem Kaiser: 
„Der Herr Bürgermeister, ein allgemein geachteter Mann". 
Der Kaiser hörte ihn gütig an, und Hermann rief die Gnade und Milde 
Sr. Majestät an, um Erleichterungen für die Stadt zu erlangen, überreichte auch 
eine Bittschrift um Aufhebung des Belagerungszustandes. 
Der Kaiser warf einen Blick auf das Papier und sagte dann: „Ja, ja, ich 
weiß wohl, daß die Kaufleute den Belagerungszustand nicht lieben; sie glauben 
immer, man wolle ihnen an den Geldbeutel. Sie lassen es an Festigkeit fehlen; 
mit etwas mehr Energie würden Sie den Pöbel (la canaille) niederhalten und Ihrer 
Stadt viel Uebel erspart haben; ich will ihr wohl, weil sie meinen Fabriken Be¬ 
schäftigung giebt; ich bin immer mit ihr zufrieden gewesen, aber in der letzten Zeit 
hat sie sich nicht gut gehalten. Ich weiß, daß es brave Leute giebt, die mit dem 
Vorgefallenen nichts zu schaffen gehabt haben, aber den Pöbel hätte man in Zaum 
halten sollen." 
Se. Maj. fragte den General v. Gersdorf: „Wie heißt Ihre Garde?" 
„Bürgergarde," antwortete der General. 
„Besteht sie aus den besten Elementen der Stadt?" 
„Ja, Sire. Hier ist Einer ihrer Dfficiere," antwortete der General, und 
er zeigte auf Herrn Bernhard Wagner, einen der Handelsdeputirten, der in 
Uniform war. 
Der Kaiser betrachtete ihn genau und sagte: „Er sieht gut aus, wie ein 
alter Soldat." Darauf trat er zu dem Herrn Dumas, der das Wort für die 
Abgeordneten der Geistlichkeit führte und von ihrer Ehrfurcht und ihrem Eifer 
sprach, die sie Sr. Maj. zu Füßen legten. Der Kaiser antwortete ihm: „Sie sind 
von der Widerrufung des Edicts von Nantes her, ein Nachkomme der Flüchtlinge, 
reformirter Geistlicher2) und sprechen Französisch wie wir. Haben Sie viel Franzosen 
in Ihrer Kirche?" 
„Nein, Sire, etwa vierzig Familienväter." 
„Predigen Sie den Völkern Gehorsam gegen ihre Fürsten; die Kleinen haben 
nicht den Großen zu befehlen, wie die Füße nicht dem Kopfe. Sie wissen das." 
Herr Dumas antwortete mit einem Bibelverse: „Gebet dem Kaiser, was des 
Kaisers ist," worauf der Kaiser erwiderte: „Sie kennen das Unglück in Frankreich. 
Sind Sie recht einig?" 
„Ja, Sire." 
*) Vgl? Bd. I, S. 431.
	        
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