Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

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Karl den Punkt an der Hase ausgewählt hatte, um von dort aus das 
Christentunm über das Sachsenland auszubreiten. 
Wiho starb im Jahte 807; er wurde in der osnabrückischen 
Kirche schon früh als Heiliger verehrt. 
208. Die Femgerichte. 
Th. B. Welter.) 
Aus den alten Gaugerichten der Deutschen gingen die berühmten 
Femgerichte hervor, deren vorzüglichste Wirksamkeit in das vierzehnte 
Und fünszehnte Jahrhundert fällt Man nennt sie auch sn 
Frei⸗ und Sluhlgerichte. Ihr Sitz war Westfalen, darum wurden sie 
duch wohl wesfalische Gerichte genannt. Der Vorsitzende derselben 
Freigraf, seine Beisiher Freischöppen, der Ort der Sn Frei⸗ 
stuhl. Der Hauptstuhl war zu Dortmund. Die Freigrafen erkannten 
nur den Kaiser über sich an und den Erzbischof von Koln, der als 
Herzog von Westfalen des Kaisers Stellvertreter und oberster Stuhl⸗ 
herr war. Nur die Teilnehmer dieser Gerichte, die Schöppen, kannken 
die Einrichtung und das Verfahren derselben und en Wissende. 
Sie waren durch einen feierlichen Eid zur Geheimhaltung verpflichtet, 
sie selbst aber erkannten sich an geheimen Zeichen und nern Die 
Verbrechen, über welche die Femgerichte richteten, waren Hetzeren 
Zauberei, Diebstahl und Mord Sowohl Wissende als Nichtwissende 
urden von deun Freigrafen vor ihre Slühle gefordert. Die Anklage 
geschah im heimlichen Gerichte, die Vorladung der Nichtwissenden mußte 
dor ein offenes Freigericht ergehen. Die Vorladung geschah durch 
einen Brief mit sieben Siegeln — des Freigrafen und sechs berufener 
Schoöppen Dieser Brief wurde von einem Kronboten an das Haus 
des Verklagten oder an das nächste Heiligenbild angeschlagen. Konnte 
sich der Verklagte nicht verteidigen oder erschien er nach mehrmaliger 
Vorladung nicht, so verfiel er in die heimliche Acht oder wurde 
verfemt erklärt, d. h den Wissenden oder Freischöppen preisgegeben. 
Wer von diesen ihn fand, knüpfte ihn an einem Baum auf oder stieß 
ihn mit dem Messer nieder, ließ aber das Messer mit dem Zeichen 
der Feme neben dem Gemordeten liegen, un Beweise, daß er als 
Opfer der heiligen Feme gefallen sei. Bald exweiterte sich der Wir 
kungskreis ie westfäͤlischen Freigerichte Als Gewaltthätigkeit fort 
und fort alle Verhältnisse in in enrie, wendete man sich 
uch aus andern Teilen des Reiches au diese Gerichte. Die vermehrte 
Ind uͤber die Grenze Westfalens hinaus verbreitete Thätigkeit bewirkte 
daß die Freischöppen sich durch Aufnahme von Männern aus dem 
uͤbrigen Deulschland verstärkten, während die Gerichte selbst nur in 
Weslfalen, das in ihrer Sprache die „rote Erde“ hieß, gehalten 
urden. Jeder Schöppe war dem andern Hilfe zu leisten vee 
Nht leicht konnte ein Verbrecher seiner Strafe entrinnen; über kurz 
oder lang wartete seiner ein sicherer Tod. Denn wohin er auch fliehen 
mochte, überall war er von heimlichen Richtern umgeben, indem die 
Wissenden durch alle Staaten Deutschlands zerstreut waren. Im fünf⸗ 
zehnten Jahrhundert befland der über ganz Deutschland ausgebreitete
	        
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