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Lusthain voller Blumen, Schmetterlinge, Vögel, Eichhörnchen und Rehe, —
aber wo ist hier Wald? Hier sind viel Häuser und Paläste, Schulen und
Kirchen, auch schattige Promenaden und rundum Felder mit Kartoffeln und
Getreide, — Wald aber ist weithin nirgends.“
Diesen übeln Umstand haben nicht bloß die Kinder, sondern auch die
erwachsenen Leute großer Städte gefühlt. Der Mann, welcher während der
ganzen Woche im Zimmer arbeitete, sei es mit Werkzeug, sei es mit der
Feder, — er möchte am Feiertage gar zu gern wenigstens ein Stückchen
vom Walde, vom grünen, lebendigen Tempel des Herrn haben; er möchte
sich freuen über Baäume, Sträucher und den grünen Rasenplan, — vor allem
auch über die vielen Tiere, über ihr eigentümliches Gebaren und Treiben.
So hat mancher allerlei Singvögel mit ins Zimmer genommen und
ergöht sich am Gesange der kleinen Gefangenen. Ein anderer zieht Raupen
im Raupenzwinger groß und wartet darauf, daß bunte Schmetterlinge aus
ihren Puppen hervorgehen. Jener legt sich eine Menagerie zwischen seinen
Doppelfenstern an, in welcher er Eidechsen, Blindschleichen und Nattern
pflegt und ihnen aus Steinstücken, Moos und Ästen eine kleine Wildnis
schafft. Dieser zähmt sich ein Eichhörnchen und bewundert die Turnkünste
desselben, oder er pflegt Wassergeschöpfe im Aquarium.
Was seit langer Zeit einzelne Leute im kleinen versuchten, jeder auf
eigene Hand in seiner Wohnung, das richtete man sich später gemeinschaft—
lich im großen ein: Tiergärten in oder dicht bei der Stadt. Man hegt
und pflegt in ihnen hauptsächlich diejenigen Tiere unseres einheimischen
Waldes, welche überhaupt die Gefangenschaft ertragen, und neben diesen
auch möglichst mannigfaltige Geschöpfe anderer Länder und anderer Erdteile.
Zu den großartigsten und schönsten Naturanstalten dieser Art ge—
hört der Berliner zoologische Garten. Die Tiersammlung desselben hat
Seltenheiten und Kostbarkeiten aufzuweisen, welche zu sehen berühmte
Naturforscher aus allen Ländern herbeieilen. Die Gruppen zusammen—
gehörender und nahe verwandter Tiere sind so zahlreich und vollständig,
als kaum irgendwo anders. Dazu ist der Garten mit wahren Prachtbauten
ausgestattet, von denen das Elefantenhaus, das Antilopenhaus, das Raub—
tierhaus, der Bärenzwinger und das große Vogelhaus die hervorragendsten
sind. Herrliche Gartenanlagen mit Wasserkünsten und alten, schattenspendenden
Bäumen erhöhen den Reiz, so daß der zoologische Garten einer der belieb—
testen Erholungsorte der Berliner geworden ist.
Nach H. Wagner und Klotz.
113. Der Löwe.
Die Löwen sind leicht von sämtlichen übrigen Katzenarten zu unter—
scheiden. Ihre Hauptkennzeichen liegen in dem stark gebauten, kräftigen
Leibe mit der kurzen, glatt anliegenden, einfarbigen Behaarung, in dem
breiten kleinäugigen Gesicht, in dem Herrschermantel, welcher sich um ihre
Schultern schlägt, und in der Quaste, welche ihre Schwanzspitze ziert. Im
Vergleich zu den andern Katzen ist der Rumpf der Löwen kurz, der Bauch
eingezogen, und der ganze Körper erscheint deshalb sehr kräftig, nicht aber