— 1685—
Stein weilte gern in Westfalen; seinen treugesinnten biedern
Bewohnern blieb er zeitlebens von Herzen zugetan; für die Wohl⸗
fahrt des Landes hat er Großes geleistet. So vollendete er die
Schiffbarmachung der Ruhr und verbesserte die Schiffbarkeit der
Weser. Er legte große Heerstraßen an und verlangte nicht, daß
die Bauern bei deren Bau, wie es bisher üblich gewesen war,
ohne Entgelt Dienste leisteten. Durch die Verbesserung der Ver⸗
kehrswege erleichterte er es den Westfalen, den Reichtum des Lan⸗
des an Kohle, Salz und Holz nach auswärts in den Handel zu
bringen; dadurch eröffnete er dem Lande neue Quellen des Wohl⸗
standes. Er förderte auch die Landwirtschaft und den Gewerbe⸗
betrieb; namentlich unterstützte er die Leinwandweberei.
Stein war in seinen Anforderungen streng gegen andere, aber
ebenso streng auch gegen sich selber; für nachlässige und ungetreue
Untergebene kannte er keine Schonung. In edelster Uneigennützig⸗
keit brachte er für die Wohlfahrt Westfalens große Opfer; denn
sein höchstes Glück war es, für das Glück anderer zu sorgen. Trotz
seines ernsthaften Wesens und seines mitunter barschen Auftretens
gewann er das Vertrauen aller; namentlich aber verehrten ihn die
Armen und die Miedriggestellten als ihren Ratgeber und Beschützer.
Darum sahen ihn alle ungern scheiden, als der König ihn im Jahre
1804 als Minister nach Berlin berief. Auch Stein selbst schied un⸗
gern. Vor seinem Scheiden sorgte er noch väterlich für sein liebes
Westfalenland; auf seinen Wunsch nämlich wurde Vincke, dessen Tüch⸗—
tigkeit er erkannt hatte, zu seinem Nachfolger in Westfalen ernannt.
Wie Stein der Wohltäter Westfalens gewesen war, so wurde
er nun in noch höherem Maße der Wohltäter des ganzen Preu⸗
ßischen Staates Nach den unerhörten Aiederlagen bei Jena und
Auerstädt und nach der Zerstückelung Preußens durch den Frieden
von Tilsit wurde eine Neuordnung des Preußischen Staates not⸗
wendig. Bei der Ausführung dieses schwierigen Werkes war Stein
der erste Ratgeber des Königs. Und keiner der preußischen Staats⸗
männer war hierfür so geeignet wie Stein. Ihn zierten die Tu⸗
genden der Gerechtigkeit und der Vaterlandsliebe in besonders ho⸗
hem Grade; sein scharfer Verstand und seine reichen Erfahrungen,
felne unermüdliche Arbeitskraft und seine unbeugsame Willensstärke
ermöglichten es ihm, alle Schwierigkeiten zu überwinden.
Stein hatte erkannt, daß die Rettung und die Wiederherstel⸗
lung Preußens nur erreicht werden könnten, wenn die Bürger des
Staates zur Freiheit und zur Selbständigkeit erzogen würden. Alle
Bürger sollten vor dem Gesetze gleich sein. Deshalb wurden die bis—
her vestehenden Vorrechte und Standesunterschiede aufgehoben. Der