142 V. Beschreibungen und Schilderungen. J. Naturgeschichte.
auf ein Kamel gebunden worden, erzählt, daß ihm nach kurzer Zeit das
Blut an den Beinen herabrieselle. In Schritt gehen beladene Kamele
täglich sieben Meilen, Postkamele dreißig.
Das sanfte Kamel wird, wenn es über Vermögen Durst leiden
muß, wild, und der Beduine läßt sich dann zu Schimpfreden gegen das
sonst so sehr geliebte Tier hinreißen. Er nennt & Hundesohn, läßt sich
aber doch nie bestimmen, es zu pruͤgeln. Auch zum Kampfe werden die
Kamele zuwellen benutzt. Hierbei zeigen sie einen außerordentlichen Mut.
Sie stürzen schreiend, voll Wut auf die Dromedare des Feindes, beißen
um sich und werfen alles durch einander, wobei sie mittelst ihrer
scharfen Zähne einem Menschen mit einem Bisse den Kopf abbeißen
können. Nach solchen Angriffen ist das Tier allemal schwer zu be⸗
sänftigen. Es wird nicht mit der Peitsche, sondern mit der Pfeife und
durch den eintönigen Wechselgesang der Füͤhrer geleitet, denn es lebt vie
Musik und schreilet, durch den Klang der Töne ermutigt, mit frischem
Mute weiter.
Auch genügt es, das Kamel mit dem Fuße, mit dem der Reiter
es vom Sattel aus auf den Nacken tritt, oder durch den Stab, womit
er es aber nur zu berühren braucht, um ihm die Richtung zu zeigen, zu
lenken. Zügel und Gebiß sind nicht nötig; denn es scheut nie, wie das
Pferd und geht mit seiner Last einen stets gleichen, festen Schritt, un—
belastet mit dem Reiter mit windgleicher Schnelligkeit. Der Araber
betrachtet das Kamel in der Einsamkeit des langen Wüstenganges als
seinen einzigen Freund. Er erzählt ihm seine Abenteuer, verspricht ihm
Belohnungen für seine Ausdauer, nennt es seinen Bruder, bläst ihm
Tabaksrauch in die weiten Nasenflügel und singt ihm ernste und fröhliche
Lieder vor, bei deren bekannten Weisen es aufmerksam horchend, die
Kinnladen zusammenpreßt, mit den Zähnen knirscht und den Kopf nach
dem Sänger hinwendet. Dann vergißt es seine Last und Ermüdung
und legt mit seiner Bürde unglaublich weite Strecken zurück. Witlen
es aus der Ferne eine Wasserstelle, die vielleicht seinem Gebieter selbst
unbekannt ist, so hebt es den gekrümmten Hals, schnaubt durch die
geöffneten Nüstern und eilt mit unwiderstehlicher Gewalt dorthin, wo
es den sonst nicht wahrnehmbaren Dunst des Wassers bemerkt hat.
Fühlt das Kamel sich zu schwer belastet, so bricht es in ein Jammer⸗
geschrei aus, und nichts bringt es zum Aufstehen, bis seine Bürde er—
leichtert worden. Bei der Ankunft an der Stauon braucht der Führer
nur mit dem gewohnten Zuruf: Krri! Krri! den Kopf des Tieres etwas
niederzudrücken, und es legt sich sogleich, indem es ein wenig das Knie
des einen und dann des andera Vordecheins biegt und mit dem ganzen
Gewicht seiner Last und seines knochigen, nervenstarken, aber fleischlosen
Körpers auf die harten Gelenkschwielen ohne Schmerz von dem Stoße
niederfällt; dann zieht es auch die Hinterbeine wie die hohen Schenkel
einwärts gegen die vordern hin und senkt sich niedern Di Kniegelenke
passen wie Scharniere zusammen, und der ganze Körper mit allem, was
er trägt, lastet auf dem Hinterrücken, bis der hohe, gewaltige Koloß in
die vollkommen ruhige Lage gelangt, die ihm eigentümlich ist Nun erst
kann es bequem abgepackt werden.