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•gewesen sei. Zuerst tarn, wie schon gesagt ist, Tiberius auf den Thron,
und als dieser in hohem Alter von seinen eigenen Dienern erstickt worden
war, folgte ihm sein Großneffe, der wahnsinnige CalLgnla. Dieser
wurde schon in feinem 29. Jahre von einigen Soldaten ermordet, und
nun kam fein Oheim, der blödsinnige Claudius, zur Regierung. Nach¬
dem Claudius von seiner eigenen Gemahlin, der Herrschsüchten Agrip-
pina, vergiftet worden war, folgte sein Stiefsohn Nero,^der letzte und
schändlichste Kaiser aus des Augustus Geschlechte. Seine Mutter
Agrippina hatte sich wenig um feine Erziehung bekümmert und ihn in
Gesellschaft eines Tänzers und eines Barbiers heranwachsen lassen. Als
er 12 Jahre alt war, übernahm freilich der gelehrte und tugendhafte
Seneca feine Erziehung; aber war es diesem nun noch möglich, alle
die schlechten Gewohnheiten, die jener bereits angenommen hatte, zu än¬
dern und zu bessern? Zudem bestieg Nero schon in feinem 17. Jahre den
Thron, und nun wollte er sich wohl die Belehrungen des Seneca nicht
mehr gefallen lassen. Freilich war er nicht gerade dumm und hatte auch
mancherlei gelernt, verstand sich z. B. auf Singen, Versemachen, Malen,
Bildschnitzen, Reiten und Fahren nicht schlecht, aber die Dinge, welche
er nothwendig hatte wissen müssen, um ein großes Reich regieren zu
können, waren ihm ganz unbekannt. Da er aber im Ansang seiner
Regierung den Rathschlägen seines alten Lehrers folgte, verfuhr er weit
besser als seine drei elenden Vorgänger und wurde schon von vielen als
ein vorzüglicher Herrscher gepriesen. Viele Mißbrauche schaffte er ab,
verringerte die Abgaben und sagte einst bei Unterzeichnung eines Todes¬
urtheils : „Hätte ich doch nie schreiben lernen!" Aber schon ein Jahr nach
feiner Thronbesteigung zeigte er sich, wie er eigentlich war. Seine
Mutter hatte geglaubt, daß er sich wenig um die Regierung bekümmern
und sie ungehindert herrschen lassen werde; als sie sich aber getäuscht sahe,
sagte sie zu ihm: „Ich habe dir den Thron verschafft und kann dich leicht
von demselben herunterstürzen. Es würde mir nicht viel Mühe kosten,
deinen Stiefbruder Britanniens an deine Stelle zu fetzen." Ueber
diese Worte wurde Nero unruhig und beschloß sogleich den Tod des
jungen Mannes. Heuchlerisch lud er den Britanniens zu sich ein, be¬
wirtete ihn prächtig und reichte ihm zuletzt einen Becher mit vergiftetem
Weine. Kaum hatte dieser davon gekostet, als er tobt niedersank. Seine
Mutter ließ er von jetzt an gar nicht mehr vor sich; er zwang sie, feinen
Palast zu räumen und nahm ihr die Vorrechte, die sie bisher als Frau
und Mutter eines Kaisers genoffen hatte. In ihrem Zorn stieß sie wilde
Drohungen gegen ihren Sohn aus, und dieser, der sie niemals geliebt
hatte, weil sie ihm niemals eine rechte Mutter gewesen war, glaubte sich
nicht anders sichern zu können, als wenn er — sie tödten ließ. Mit
heuchlerischer Freundlichkeit lud er sie ein, nach der Stadt Bajä (westl.
von Neapel gelegen) zu kommen und sich mit ihm auszusöhnen. Sie
folgte feiner Einladung, weil sie nichts Böfes ahnte, und wurde wie eine