Full text: [Erster Theil, [Schülerband]] (Erster Theil, [Schülerband])

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137 Die Linde 
Eduard, Christian, Amalie und Justine waren in dem Garten 
ihres Nachbars. Der Nachbar grub eine junge Linde aus, die nicht 
mehr ganz klein war. „Wer von euch will den Baum?“ fragte der 
Nachbar die Kinderz — „es ist ein schöner Stamm!“ 
ch mag ihn nicht,“ antwortete Eduard, „es wächst ja nichts 
daraufl“ „O, wenn nichts darauf wächst,“ riefen Amalie und Chri⸗ 
stian, „da wollen wir ihn auch nicht.“ 
„Geben Sie den Baum mir,“ sagte Justine; „der Vater soll mir 
ein Platzchen geben, wo ich ihn pflanzen kann.“ 
Justine bekam den Lindenbaum, und ihr Vater wies ihr eine 
Stelle un Garten an, wo fie denselben sich könnte hinpflanzen lassen. 
Das Mädchen freute sich über ihren Baum und half mit allem 
Eifer ihn pflanzen. „Ei,“ rief sie, „mein schöner Baum!“ 
„Bist du nicht eine kleine Närrin!“ sagte Eduard, „der Baum 
trägt dir im Leben kein Obst!“ 
Du hiebst uns wohl von deinen Äpfeln und Birnen“ neckten 
sie Christan und Amalie, wenn dein Baum wird groß sein?“ 
„Was habt ihr doch?“ antwortete Justine. „Wenn der Baum 
auch kein Obst bringt, wenn er nur groß und grün wird, so bin ich 
zufrieden.“ 
Der Baum wuchs zusehends. Die Geschwister neckten immer 
noch Justine über den unfruchtbaren Baum; aber der Baum blieb 
ihr sehr lieb. 
Einige Jahre hatte der Baum gestanden, als Justine mit ihren 
Eltern und Geschwistern an einem Sommerabende noch spät im Gar⸗ 
ten war. 
Was riecht denn hier so lieblich?“ sagten die Kinder und zo— 
gen den süßen Duft mit Wohlgefallen ein. — Sie fragten den Va⸗ 
ler, woher der schöne Geruch käme. 
„Geht nur an Justinens Linde,“ antwortete dieser, „da werdet 
ihr's finden!“ 
dDie Kinder gingen zur Linde. Je näher sie kamen, je lieblicher 
und stärker roch ed. — Es war Justinens Linde, von welcher der Ge⸗ 
uch ausging! Der junge Baum hing überall voll Blüten, während 
des Tages waren die Blüten aufgebrochen, und jetzt durchdufteten 
sie den zanzen Garten. 
„O mein schöner, lieber Baum!“ rief Justine entzückt; — „seht 
ihr, ragt wohl auch etwas, was euch gefällt!“ 
Am zweiten Tage war der Nachbar da. Justine führte ihn zu 
ihrem Lindenbäumchen, und ihre Geschwister begleiteten sie. „Sehn 
Sie.⸗ sagte Justine, „das ist der Baum, den Sie mir einmal ge⸗ 
schenkt haben!“ 
Der Nachbar freute sich, das der Baum schon so voll blühe 
Jeht aber hoͤrten die Kindet auch ein Summen und wußten nicht, 
woher das kommen möchte.
	        
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