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15 hielt; aber immer wieder sagte der Bauer: „Ich kann dadurch
nicht lesen.“ Endlich fragte ein Bürgersmann, der von unge¬
fähr zu dem Handel gekommen war: „Freund, sagt mir doch,
könnt Ihr denn überhaupt lesen?“ „Ei, sagte der Bauer, Ihr
Narr, wenn ich lesen könnte, würde ich mir keine Brille kaufen.“
Gotthüf Heinrich Schubert.
110. Joseph Fraunhofer.
1. Joseph Fraunhofer, der Sohn eines armen Glasermeisters
zu Straubing an der Donau, war im März 1787 geboren. Er
war für das Handwerk feines Vaters bestimmt und kam als Lehrling
für dieses in seinem zwölften Jahre nach München. Der Meister,
5 in dessen Werkstatt er eintrat, verfertigte neben dem gewöhnlichsten
Geschäft der Glaser auch Spiegel und betrieb außerdem jenen sehr
untergeordneten Zweig des Glasschleifens, bei welchem man den
Biergläsern sowie andern Glasgesteinen mancherlei glatte Flächen,
auch Namenszüge und andre dergleichen Eindrücke mitteilt. Es
10 war in dem Knaben ein überaus starker Drang zum Lernen; sein
Meister jedoch, dem die Wissenschaft nicht eben notwendig oder
förderlich zum Erwerben und Verdauen des täglichen Brotes
schien, verstattete ihm sogar den Besuch der Feiertagsschule nur
sehr selten, so daß der arme Joseph nur das Lesen, nicht aber das
15 Rechnen und Schreiben zu erlernen vermochte. Durch diese Gewalt¬
tätigkeit, die seinem kindlichen Geiste widerfuhr, war er allerdings
innerlich in einem tiefen Dunkel gehalten, das er schmerzlich fühlte;
er sollte aber aus diesem Geistesdunkel dadurch befreit werden, daß
Gottes besondere Schickung ihn in ein tiefes leibliches Dunkel und
20 in große Gefahr des äußern Lebens versetzte.
2. Das Haus, das der Lehrmeister unsers Fraunhofer bewohnte,
war sehr alt und baufällig. Hin und wieder hatte man schon
Stützen an dem Deckengewölbe anbringen müssen, und die Vor¬
kehrungen zur gründlichen Erneuerung hatten bereits begonnen,
25 gingen auch schon ihren langsamen Gang; da griffen die feuchte
Witterung und der schnelle Wechsel zwischen Kälte und Wärme
im Frühling 1801 etwas kräftiger in das Geschäft des Einreißens
der alten Mauern ein; das ganze Bauwerk stürzte eines Tages
zusammen. Mehrere seiner Inwohner hatten sich noch bei guter
30 Zeit gerettet, etliche wurden hart beschädigt unter den Trümmer-