Full text: Lesebuch zur Geschichte der deutschen Literatur alter und neuer Zeit

Die klassische Periode. — Th. G. Hippel. 377 
Wie der wilden Zone wildster Krieger, Finsterblickend blieb der Wilde stehen, 
Schrecklich stand mit Köcher, Pfeil und Sahe starr dem Pflanzer in die Augen, 
Bogen Sprach mit voller, fester, ernster Stimme 
Der Hurone jetzt vor seinem Gaste, Haben wir vielleicht uns schon gesehen? 
Und erweckt ihn; und der Europäer Wie vom Blitz getroffen stand der Jäger, 
Griff bestürzt nach seinem Jagdgewehre; Und erkannte nun in seinem Wirthe 
Und der Wilde gab ihm eine Schale, Jenen Mann, den er vor wenig Wochen 
Angefüllt mit süßem Morgentranke. In dem Sturmwind aus dem Hause jagte; 
As er lächelnd seinen Gast gelabet, Stammelte verwirrt Entschuldigungen. 
Bracht' er ihn durch manche lange Win- Ruhig lächelnd sagte der Hurone: 
dung, Seht ihr fremden, klugen, weißen Leute, 
Ueber Stock und Stein, durch Thal und Seht, wir Wilden sind doch bessre 
Bäche, Menschen! 
Durch das Dickicht auf die rechte Straße. Und er schlug sich seitwärts in die Büsche. 
Höflich dankte fein der Europäer; 
VIII. Jean Paul. 
1. Theodor Gottlieb Hippel. 
(. 131. Lehrb. g. 96) 
Ginzelnes. 
Wenn gleich der Gottlose in einem Pallast wohnt, irre dich nicht. Sein 
Pallast ist wie das Haus der Spinne und wankender, wie ein Schauer, das 
der Wächter sich gemacht hat. 
Ein neuer Freund ist ein neuer Wein; laß ihn alt werden und dann 
koste ihn und siehe da, solch ein Wein erfreut des Menschen Herz, daß er 
jung wird wie ein Wler. 
Der Kirchthurm ist ein Finger, der gen Himmel zeigt; denk, so oft du 
einen siehst, an den Finger Gottes, ohne den nichts geschieht, was geschieht, 
und durch den ist, was ist. 
Wenn du einen Kirchhof offen findest, gehe herüber, wenn du auch 
einige Schritte Umweg machest. Sieh die offene Thür als eine Erinnerung 
an, daß auch du dem Kirchhofe, dem Zollhause der Ewigkeit, geben wirst, 
was ihm gebühret. 
Ein gutes Gewissen ist besser, als zwei Zeugen. Es verzehrt deinen 
Kummer, wie die Sonne das Eis. Es ist ein Brunnen, wenn dich dürstet, 
ein Schirm, wenn dich die Sonne sticht, ein Kopfkissen im Tode. 
Zwei Dinge sind uns Noth, Gewissen und Ruf. Dieser des Nächsten 
jenes unsertwegen. Das Gewissen aber verdient mehr Rücksicht, als der Ruf. 
Dieser kann trügen, jenes nie. Beim Ruf fällst du in der Menschen Hände; 
beim Gewissen in die Hand Gottes. 
Ein Wassertropfen macht sich in den härtesten Stein eine Höhle, wenn 
er oft darauf fällt, und ein gutes Wort findet, wo nicht heute, so doch mor⸗ 
gen einen guten Platz.
	        
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