Full text: Lesebuch zur Geschichte der deutschen Literatur alter und neuer Zeit

I. Die Literatur in den Händen der Geistlichen. 1 
Des Steines Art und sein Geschlecht Und viele mit einander. 
Und seiner Eigenschaften Ziel. Da zuckte zu derselben Stunde 
Man sagte mir, er koste viel.“ Der Flaum hinab zum Grunde 
Der Jude nahm ihn in die Hand. Und die da lag, die Hand voll Erden. 
Alsobald hatt' er erkannt Da mußte jeder inne werden 
Des Stein's Natur und seine Art. Männiglich besunder, 
Er sprach: „nicht ist noch jemals ward Das wäre ein großes Wunder. 
Ein andrer seines Gleichen Der Mann vom jüdischen Geschlecht 
In allen Erdenreichen. Sprach dann: „wollt ihr's verstehen recht, 
Theuer ist er und gar gut. So wisset, Gott hieß machen 
Der ihn besitzt, hat stolzen Muth, So wunderbare Sachen 
Den Alten gibt er Jugend. Dem Könige zu Lehren: 
Er hat gar manche Tugend. Er überhob sich großer Ehren. 
Ihr dürft darin mir trauen. Auch seid ihr allgemeine 
Auch möget ihr's wohl schauen, Gemahnet mit dem Steine, 
Und wenn ihr selbst es habt gesehen, Daß ihr in nichts euch überhebet, 
Dann müsset ihr mir zugestehen All die Weile, die ihr lebet. 
Die Wahrheit, wie ihr sie erkannt.“ Bewahrt euch vor der Gierigkeit, 
Da ließ er bringen sich zur Hand Denn sie macht groß Herzeleid; 
Eine Wage mit klugem Sinn Wer so voll Gier ist alle Zeit, 
Und auf die eine Schale hin Wie mag der bleiben frei von Leid? 
Legte er den theuern Stein; Der lebet stets mit Sorgen 
Manche goldne Spang' hinein Den Abend und den Morgen, 
In die andre Schale. Wie er das beginne, 
Der Stein zog nieder sie zu Thale, Daß er immer mehr gewinne. 
So schwer als sie auch waren. Was zu erwerben ihm gelinget, 
Nur Wahrheit sollet ihr erfahren. Verzehret all er und verschlinget, 
Da sagt' er, daß man sollte Und wird doch voll zu keiner Stund'. 
Mehr legen zu dem Golde, Der Mann der ist der Höllenschlund, 
Damit man ganz ergründe Der noch satt ward keinen Tag 
Die Kraft, die in dem Stein sich finde. Und es nimmer werden mag; 
Da sie erfüllt, was er gewollt, Wie er denn ganz und gar verschlinget, 
Da schwebte oben hoch das Gold, Was nur immer zu ihm dringet. 
Der Stein sank tief hinunter Nun sehet an, was ist das dann? 
Das war ein großes Wunder. Nichts anders als ein kranker Mann; 
Das ist was ihr wohl merken sollt. Der Mann der gleichet diesem Steine, 
Was man auch legte auf das Gold, Der, gelegt in der Schalen eine, 
Das alles schwebte oben wieder. Sich selber niederdrückte 
Die Schale zog es nimmer nieder Und empor das Gold all zückte. 
Mit dem theuern Edelstein Nun merket, was ich euch will künden 
Und dieser war doch nur gar klein, Ihr sollt von euern Sünden 
Wie eines Menschen Auge ist. Eiligst euch bekehren 
Der Jude insgeheim mit List Und sollet wieder ehren 
Das Gold ließ von der Schale raumen In allen euren Herzen Gott 
Und legte darauf eine Flaumen Und gerne halten sein Gebot 
Und eine kleine Hand voll Erde, Auch sollet ihr ihn minnen 
Daß gleich dem Stein an Schwere werde Mit allen euren Sinnen, 
Die Schale, wo das Gold sich fand. Der euch alle werden hieß 
Der König sah es unverwandt, Und bis diese Stunde ließ 
Der weise Alexander. Von seinen Gnaden leben 
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