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Siegfrieds Fahrt zu den Burgunden.
Siegfried blieb manche Woche in der väterlichen Burg;
endlich aber hatte er das Stillsitzen wieder satt und er sprach
zn Siegmund: „Lieber Vater, es ziemt sich nicht für imch,
Deinen starken Sohn, daß ich mich faul auf die Bärenhaut
lege und Met trinke. Laß mich noch einmal ziehen! Ist
das Glück gut, so bringe ich Dir die Königstochter der Bur¬
gunden, die schöne Chrieinhild als Töchterlein heim." Der
Vater gab, wenn auch ungern, seine Zustimmung, und auch
die Mutter konnte schließlich den Bitten des geliebten Kindes
nicht widerstehen.
Da machte sich Siegfried mit seinen zwölf Nibelungen
auf den Weg ins Burgundenland.
Hier regierten die drei Söhne des reichen Königs Dan¬
krat und der weisen Frau Ute. Die Brüder Günther, Ger¬
not und der junge Giselher hatten aber auch eine Schwester
und das war Chriemhild, die vielgepriesene. Am Hose der
Burgunden lebten noch andere kühne und vornehme Recken.
Der erste davon war Hagen von Tronje, dann kam Dank¬
wart der Marschalk, beide Frau Utes Brüder. Ferner Orte-
win von Metz, Gere und Eckewart, Rumolt, der Küchen¬
meister, Volker von Alzey, der thatenkundige Sänger, Sin-
dolt der Schenke und Hunolt der Hausmeister.
Die junge Chriemhilde erschien selten in dem Kreise der
Helden; denn sie liebte ihr rauhes, lautes Wesen nicht. Sie
blieb meistens in der Kemenate oder erging sich im Garten,
wo sie die Blumen pflegte und dem Gesänge der Vöglein
lauschte. Die Brüder liebten das Schwesterlein gar sehr und
baten deshalb oft, sie möchte zu ihnen in die Halle kommen
ober sie auf der lustigen Jagd begleiten. Nur einmal hatte
sie ihrem Wunsche nachgegeben; auf ihrem weißen Rößlern
ritt sie mit ihnen in den grünen Wald. Da kam aus ein¬
mal ein von den Jägern verwundetes Reh; es sank zu ihren