Ferdinand Avenarius.
Der goldene Tod.
1. Kein Wind im Segel, die See liegt still —
kein Fisch doch, der sich fangen will!
So ziehen die Netze sie wieder herein
und murren, schelten und fluchen drein.
Da neben dem Kutter wird's heller und licht
wie weißliches Haar, wie ein Greisengesicht,
und ein triefendes Haupt taucht auf aus der Flut:
„Ei, drollige Menschlein, ich mein's mit euch gut —
2. ich gönn euch von meiner Herde ja viel,
doch heut ist mein Jüngster als Fisch beim Spiel,
den mußt' ich doch hüten, ich alter Neck,
drum jagt' ich sie all miteinander weg —
doch schickt ihr den Jungen mir wieder nach Haus,
so werft noch einmal das Fangzeug aus:
der schönste ist mein Söhnchen klein,
das übrige mag euer eigen sein!“
3. Hei, flogen die Netze jetzt wieder in See!
Ho, kaum daß ihr Lasten sie brachte zur Höh'!
Wie lebende Wellen, so fort und fort
von köstlichen Fischen, so quolls über Bord.
Und patscht und schnappt und zappelt und springt —
und bei den Fischern, da tollt's und singt.
Nun plötzlich blitzt es — seht: es rollt
ein Fisch über Bord von lauterem Gold!
4. Eine jede Schuppe ein Goldesstück!
Wie edelsteinen, so funkel!'s im Blick!
Die Kiemen sind aus rotem Rubin,
Perlen die Flossen überziehn,
mit eitel Diamanten besetzt, so ruht
auf seinem Häuptlein ein Krönchen gut,
und fürnehm wispert's vom Schnäuzlein her:
„Ich bin Prinz Neck, laßt mich ins Meer!“
5. Den Fang ins Meer? Sie rühren ihn an,
die Fischer, und tasten und stieren ihn an.