Full text: Sammlung deutscher Gedichte

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„O Herr, nimm hin mein schuldig Leben. 
errette nur die gute Stadt!“ 
12. Ihm ist's, als hab' es Gott bejaht, 
und kühn erwächst ihm Will und Rat. — 
Dort läuft den steilen Bergeshang 
ein hoher Tannenwald entlang. 
Ein Pfad lockt in die Waldeshalle, 
der dicht umschattet abwürts führt 
und unversehns in jähem Falle 
im tiefsten Abgrund sich verliert. 
13. Den schlägt er ein; die Hand aufs Herz, 
das feste Auge himmelwärts, 
fliegt er des Wegs zur Felsenwand 
und stürzt sich von des Abgrunds Rand. 
Noch flammt die Leuchte im Gesträuche, 
die Schweden folgen ihrem Schein, 
und drunten deckt des Normanns Leiche 
der Feinde zuckendes Gebein. 
F. Bäßler (1849). 
81. Der Läufer von Glarus. 
Einst fochten die von Uri sich 
und die von Glarus bitterlich 
um ihre Landesscheiden an. 
Da ward zuletzt der Spruch getan: 
Zur Tag⸗ und Nachtgleich allerfrühst, 
sobald der Hahn den Morgen grüßt, 
soll nach der beiden Länder Enden 
jedweder einen Läufer senden, 
und wo sich dann begegnen beide, 
10 da sei fortan des Landes Scheide.“ 
Und als der Morgen war gekommen 
und kaum die höchsten Alpen glommen, 
in Uri wachte schon der Hahn 
und sang den Morgen lustig an — 
15 der Hunger hat ihn früh geweckt — 
und wie er kaum die Flügel reckt, 
bricht schon der Urner hurtig auf 
und nimmt zur Scheide seinen Lauf. 
Indes zu Glarus schläft noch fest 
20 der Hahn in seinem warmen Nest. 
Wetzel, Poetischer Anhang.
	        
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