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auf den in den Naturwissenschaften gelegt. Auch im Französischen und Italienischen
wurde er tüchtig geschult, und in beiden Sprachen brachte er es zu der wünschens-
werten Fertigkeit. Während sein Eigensinn, über den seine Mutter vielfach klagte,
den Lehrern hindernd in den Weg trat, erleichterte ihnen wieder seine große Be-
gabung ihre Aufgabe. Als Mitregent unternahm Josef II. häufig Reisen, auf denen er
die Lage seiner Untertanen und die Verhältnisse anderer Länder genau kennen lernte.
{Josef II. 1780—1790. Seine Keformen.] Josef II. hatte an
Preußen ersehen, welche Kräfte ein Staat entfalten kann, wenn seine
Verwaltung einheitlich georänet ist und in der Hand des Monarchen
ruht. Dies suchte er nun bezüglich Österreichs dadurch zu erreichen,
daß er den Verwaltangs- und Gerichtsorganismus, den Maria Theresia
in den deutsch-böhmischen Ländern begründet oder vorbereitet hatte,
auch auf die ungarischen Länder ausdehnen wollte. Die deutsche
Sprache sollte die alleinige Amtssprache sein und so allmählich eine
Verschmelzung der verschiedenen Völker Österreichs angebahnt werden.
Alle Hindernisse, namentlich aber die ständischen Verfassungen, soweit
sie sich der Durchführung seines Planes entgegenstellten, suchte er zu
beseitigen. Gleichzeitig erließ er eine Anzahl von Verordnungen, um
die Wohlfahrt seiner Völker zu fördern. Dahin gehörte vor allem die
allmähliche (1781—1785) Aufhebung der Leibeigenschaft, die
Beschränkung der Rechte der Gutsbesitzer, die Erteilung
bürgerlicher Rechte an die Juden u. s. w. Von hervorragender Wichtig
keit waren seine kirchlichen Reformen. Durch das Toleranzpatent
(1781) gestattete er den Lutheranern und Calvinisten überall die freie 1781
Ausübung ihres Glaubens, der „dominanten“ katholischen Kirche verblieb
der Vorzug öffentlicher Glaubensübung. Dann hob er eine be-
deutende Anzahl von Klöstern auf, und zwar jene, welche nicht der
Wissenschaft, Krankenpflege oder Seelsorge dienten (1770 gab es 2163,
1786 nur 1425 Klöster), und schuf aus ihren Gütern den Religions-
fond; er beschränkte die Rechte der Geistlichkeit und erschwerte den
Verkehr derselben mit Rom noch mehr, als dies bereits seine Mutter
getan hatte. Von seinen kirchlichen Reformen vermochte ihn selbst der
Besuch des Papstes Pius VI. in Wien (1782) nicht abzubringen, denn er 1782
fuhr nicht nur in der Aufhebung der Klöster fort, sondern suchte auch durch
Begründung der sogenannten „Generalseminarien“ die Erziehung des
Klerus den Bischöfen zu entwinden und dem Staatsinteresse unterzuordnen.
Gewerbe und Industrie beförderte der Kaiser durch die Be-
günstigung der Einwanderung gewerbfleißiger Leute und durch das
Verbot der Einfuhr von Industrieerzeugnissen.
Im Justizwesen wurden Verbesserungen vorgenommen, Der
Kaiser ließ ein neues Strafgesetz ausarbeiten, in welchem die Todes-
strafe nur für öffentlichen Aufruhr festgesetzt war.