fullscreen: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen

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56. Die Ubergabe von Sedan. 
Es war 10 Uhr abends, als die Verhandlungen begannen, 
bei denen deutscherseits Preiherr v. Moltke, Graf Bismarcek und 
Podbielski nebst einigen Adjutanten, französischerseits der General 
Graf Wimpffen, der an Stelle des verwundeten Marschalls Mac 
Mahon den Oberbefebl gefübhrt hatte, sowie die Generäle Paure 
und Castelnau mit ihren Adjutanten vertreten waren. In ver- 
zweoifelter Stimmung waren die französischen Führer in Schlob 
Donchery angekommen, uneins mit sieh selbst, wie sie die ver- 
lorene Sache ihres Raisers retten sollten. 
Die Verhandlungen fanden in einem Zimmer des Erdgeschosses 
dieses Schlosses staftt. In der Mitte des Gemachs stand ein vier- 
eckiger Tisch mit roter Decke. An der einen Seite desselben 
nahm Moltke, links neben ihm Bismarck, rechts v. Podbielski, 
ihnen gegenüber General v. Wimpffen mit seinen beiden Genossen 
Platz2. Vin minutenlanges Sehweigen trat ein. Man fühlte, dab 
General Wimpffen in Verlegenheit war, wie er das Gespräch ein- 
leiten sollte; aber General v. Moltke blieb unbeweglieb und war 
entschlossen, seinem Gegner das erste Wort zu lassen. 
„Es würde mir lieb sein,“ begann endlich v. Wimpffen, „dio 
Bedingungen kennen zu lernen, die Se. Majestät der König von 
Preuben gewillt ist, uns zu bewilligen.“ 
„BSie sind einfach genug,“ erwiderte Moltke. „Die Armee ist 
kriegsgefangen mit Waffen und Gepäck; man vird den Offizieren 
in Lnerkennung ihrer tapferen Haltung den Degen lassen, aber 
sie sind kriegsgefangen wie die Truppen.“ 
„Diese Bedingungen sind hart,“ entgegnete Wimpffen und 
versuehte dureb einen Appell an die menschliche Teilnahme des 
Glegners eine Milderung zu erlangen. Als er sah, daß dieser 
wirkungslos blieb, erklärte er, dab er auberstande sei, die ge- 
stellten Bedingungen anzunehmen, und schlob mit den Worten: 
„Iek werde an meine Armee und das Glück der Schlachten 
appellieren und entweder mich durehschlagen oder in Sedan mich 
zu verteidigen wissen.“ 
„Ieh bin voll grober und besonderer Hochachtung vor Ihrer 
Person,“ entgegnete ihmm Moltke; „ieh würdige die Schwierigkeit 
Ihrer Lage und bedauere, Ihren Porderungen nicht nachkommen 
zu können; was aber einen erneuten Durchbruchsversuech oder 
Ihren Entschlub angeht, sieh in Sedan zu verteidigen, so mub ieh 
Ihnen bemerken, dab das eine so unmöglich ist wie das andere. 
Gewib, Sie haben noch immer über Bruchteile einer ausgezeich- 
neten Armee Verfügung; Ihre Kerntruppen sind ersten Ranges, 
aber ein grober Teil Ihrer Infanterie ist demoralisiert, denn wir 
haben heute im Laufe des Tages über 20000 unverwundete Ge- 
fangene gemacht. Sie haben noch 80000 Mann; wir stehen Ihnen 
mit 240000 Mann und 500 Geschützen gegenüber; bestimmen Sie
	        
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