Full text: Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters

fortpflanzten. Demnach wurde nach dem Gewohnheitsrechte gerichtet. 
Jedes Vergehen, selbst Verbrechen, wie der Totschlag, konnte durch 
ein Wörgeld gesühnt werden. Nur in seltenen Fällen (bei Hoch- 
verrat, Desertion) wurde der Verbrecher mit dem Tode gestraft. Zu 
seiner Vertheidigung konnte der Angeklagte „Eideshelfer” herbei 
ziehen; in schwierigen Fällen nahmen die Richter zu Gottes: 
urteilen ihre Zuflucht, unter denen der Zweikampf wol das älteste 
war. Die politische Gewalt der Volksversammlung offenbarte sich 
zunächst in der Wahl der Obrigkeiten. Neben den Königen wurden 
für den Krieg „Herzoge”, im Frieden Fürsten (principes) ge- 
wählt. Letztere scheinen bei Stämmen, die keinen König hatten, an 
der Spitze des Staatswesens gestanden zu haben. Während bei der 
Wahl der Fürsten die edle Abkunft, war bei der der Herzoge per 
sönliche Tapferkeit maßgebend. 
Das Volk war in zwei Hauptstände gegliedert, die wieder 
in je zwei Unterabteilungen zerfielen. Die Freien waren jene, die 
nicht nur persönlich frei waren, sondern auch einen von jeder Last 
freien Grundbesitz besaßen. Sie zerfielen in die Adelinge, die 
wegen ihres größern Grundbesitzes und wegen ihrer Verdienste um 
den Stamm ein höheres Ansehen hatten, und die Gemeinfreien. 
welche das eigentliche Volk bildeten, aus denen hauptsächlich die 
Volksversammlung und das Heer bestand. Die Unfreien waren 
entweder Leibeigene (Sklaven, Knechte), welche die Haus- und 
Feldarbeit besorgten und als Sache betrachtet wurden, oder Frei 
gelassene (Liti oder Lassi), die zwar persönlich frei waren, aber 
weder an der Regierung teilnahmen, noch auch freien Grundbesit” 
hatten. 
Die liebste Beschäftigung der alten Deutschen war der Krieg 
Am Kriege musste jeder Freie teilnehmen. Der auf den Schild 
gehobene „Herzog” bot den Heerbann auf. Ihre Waffen warer 
zunächst auf das Handgemenge berechnet: Streitkeil, Streitaxt. 
Streithammer und ein langer Sper. Für den Kampf in die Ferne 
waren die Schleuder, der Wurfspieß und die „Frame” oder der Streit 
meißel im Gebrauch. Die ältesten Waffen waren aus Stein; erst 
später fanden bei ihnen eherne und eiserne Waffen und mit ihnen 
Schwert und Dolch, Bogen und Pfeil Eingang. Als Schutzwaffe diente 
ihnen ein Schild von Holz oder Weidengeflecht, mitunter auch die 
Kopfhaut des Auerochsen oder Elens. Selten begleiteten Frauen und 
Kinder das Heer. Dann blieben sie bei der Wagenburg zurück 
Die Schlachtordnung der Deutschen war keilförmig. Der Anegrif
	        
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