Full text: Der geschichtliche Lehrstoff für österreichische Volksschulen

Ende nehmen zu wollen. Man nennt diese Bewegung die Völker— 
wanderung.1) Unter den fortwährenden Durchzügen germanischer 
Völker hatten alle Bewohner der römischen Provinzen zu leiden, 
ob sie nun römisch oder deutsch waren. Die Eindringlinge ver— 
heerten die Gegend — sie brauchten ja Nahrung für ihre unge— 
heuren Scharen, sie griffen die Zufluchtsorte der Bewohner, 
die von den Römern erbauten Burgen (Kastelle) an, und eine 
Stadt nach der anderen wurde von ihnen erobert. Die Bevölke— 
rung, von Hunger geplagt, aus ihren Wohnungen vertrieben, 
fand nirgends Hilfe. Die römischen Beamten waren geflohen und 
sie selbst besaßen nicht den Mut, sich zum Widerstande aufzuraffen. 
In dieser Bedrängnis erschien als Retter und Tröster aus 
Italien der Mönch Severin. Seine Frömmigkeit und sein mut— 
volles Auftreten besänftigten die wildesten Führer der einfallen— 
den Stämme und flößten den Römern wieder Gottvertrauen und 
Mut ein. Durch seine Fürsprache wandte er auch viele Greuel 
von dem Volke ab. Dreißig Jahre wirkte er hier zum Segen der 
Bedrängten.?) 
Sein Gewand war von grobem Loden, sein Lager die harte 
Erde. Während Heere und Völker mit Roß und Wagen über die 
gefrorene Donau zogen, ging er in so strengem Winter barfuß. 
Seine kleine, abgemagerte Gestalt mit dem langen Barte erregte 
anfangs Mitleid, ertrug aber standhaft die größten Entbehrungen. 
Nach der Sage ist Severin der Gründer dreier Kirchen in und 
um Wien;) die Klause und Kapelle in dem abseits gelegenen 
1) Unter den Kriegern und Anführern der wandernden Völker gab es 
manchen tapferen Helden. Noch nach Jahrhunderten erzählte man im Volke 
von ihren Taten. So entstanden die großen Heldensagen von Siegfried aus den 
Niederlanden GBild von Lohmeyer: Kriemhilde an der Leiche Siegfrieds), vom 
Burgundenkönig Gunter, von Dietrich von Bern, Alarich und vielen anderen. 
Erwähnt kann hier werden, daß im Laufe der Völkerwanderung die Sachsen 
und Angeln von der norddeutschen Küste nach England zogen und diesem den 
Namen gaben. Die Longobarden (Langbärte) kamen nach Norditalien in die 
heutige Lombardei, die Burgunden über den Rhein nach Frankreich (Burgund). 
Das Gebiet unserer Monarchie, das ursprünglich fast ganz von germanischen 
Stämmen bewohnt war, ist während dieser Zeit auch zum Teil Eigentum der 
Slawen geworden. 
2) Schobers Quellenbuch J. 19 -27. 
3) Wien war im Laufe der Völkerwanderung nicht zerstört worden, wiag die
	        
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