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Rußland hat zwei Hauptstädte: Moskau und Petersburg. Mos¬
kau ist der Mittelpunkt des Land Handels und der russischen Indu¬
strie; seit dem Brande im Jahre 1812 ist es schöner, als es vorher
war, wieder aus der Asche gestiegen und hat jetzt 360,000 Einwohner.
Petersburg am finnischen Meerbusen, mit 440,000 Einwohnern,
ist der Mittelpunkt des Seehandels und die Residenzstadt der
kaiserlichen Familie.
Das große russische Reich ist von vielen verschiedenen Völkerschaften
bewohnt, die meist die russische Sprache reden und sich zur grie¬
chisch-katholischen Kirche bekennen.
17 Der Nirsse in den Steppen.
Obgleich die Malorossianen (Kleinrussen) durch ihre große Zahl
und allgemeine Verbreitung die Hauptnation in den südrussischen Step¬
pen (Kleinrußland) bilden, so fehlt es hier doch keineswegs an
Großrussen. Ich traf einmal mit einem solchen, der sich in den
südlichen Steppen niedergelassen hatte, zusammen, erzählt uns ein
Reisender. Ich fragte ihn, wie es ihm da gefiele? „Ach, Herr", ant¬
wortete er, „wem kann es hier gefallen?" Ist denn euer Rußland
besser? fragte ich weiter. „Unser Rußland, unser Rußland, wie sollte
es nicht besser sein!" Ich sah, daß er sich erzürnen wollte und fragte,
was denn in Rußland besser sei?
„O in Rußland, Herr, da ist von allem etwas, und hier ist von
allem nichts! In Rußland ist das Brod besser, die Häuser besser, das
Land besser, der Schnee besser, der Sommer, der Winter und alle
Jahreszeiten besser. Da ist Berg, Thal, Wald, Wiese, Brunnen,
Quellen, Flüsse — alles in Fülle; alles wechselt ab und alles ist so
schön. Im Lande stießen große, schöne Ströme, und vor allen die
herrliche Mutter Wolga mit allen ihren Kindern. Die Wälder sind
groß und prächtig. Die Eichen, Linden, Buchen, Tannen und Fichten
— alle bis zum Himmel! Und in den Bäumen singen Vögel von
jeder Art, der eine so, der andere so!" (Er pfiff dabei den Nachtigallen
und Lerchen nach.) „Ach und in den Wäldern, welche Luft voll Wohl¬
geruch!" (Dabei fächelte er sich die Luft zu und athmete sie begierig
ein, als wenn sic voller Veilchenduft wäre.) „Und wie nahe ist dir
das alles! Siehe, hier ist deine Hausthüre, du machst sie auf, trittst
hinaus und bist gleich mitten im Walde." (Hier hielt er mich bei der
Hand und ich nmßte stehen bleiben, als wenn ich die Hausthür wäre;
er aber trat einige Schritte in das hohe Gras hinein, als wenn es
der Wald wäre.) „Welche herrliche Musik im Walde", fuhr er fort,
„und wie die Sonne durch die Blätter scheint! Und im Grase des
Waldes blühen und reifen allerlei Beeren um dich her. Erdbeeren, Herr,
kleine süße Himbeeren und Brombeeren von jeder Art, Herr, so viele, als
du nur wünschen kannst. Du kannst dich niederlegen, wo du nur willst,
und rund um dich herum pflücken, und du stehst nicht anders als satt