Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 3)

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feit auf sich gelenkt. Nach dem Kriege wurden die Turnplätze wieder 
eröffnet; aber so gut der Gedauke einer Wehrhaftmachnng des 
Volkes durch körperliche Übungen auch war, vermochte doch Jahn 
durch fein derbes, polterndes Wesen keinen günstigen Einfluß auf 
das heranwachsende Geschlecht auszuüben. Er verstand es nicht, 
dem Wollen seiner Anhänger ein edles Ziel zu geben. Bald wollten 
sich viele in bestehende Ordnungen nicht mehr fügen und suchten 
den Meister an Grobheit sogar zu überbieten. Seine Gesinnungs¬ 
genossen haben auch die Schriftenverbrennung beim Wartburgfest 
verschuldet. Sv freudig daher das Turnen von vielen Seiten zu¬ 
erst begrüßt wurde, so mußten ihm doch die vielfach dabei zutage 
tretenden rohen Sitten schaden. 
e) Die Reaktion. 
Die Unbesonnenheiten einzelner Schwärmer, namentlich Sands 
Tat, riefen eine ungeheure Erregung hervor, wobei in unheil¬ 
voller Gedankenverwirrung nicht wenige sogar dem Mörder ihre 
Sympathie bekundeten. Diese Auswüchse der Freiheitsregungen 
brachten die ganze nationale Bewegung arg in Verruf, zumal 
sie schon längst mit Argwohn beobachtet wurde. Man hielt es 
darum art der Zeit, gegen sie einzuschreiten. 
Die europäischen Fürsten hatten den Befreiungskrieg als einen 
Kampf gegen die Revolution angesehen uud glaubten mit dem 
errungenen Siege die in ihr hervorgetretene Auflehnung gegen 
die Religion und staatliche Ordnung überwunden zu haben; gegen 
die von ihr ausgehenden fortschrittlichen Ideen verschlossen sie 
sich. In den gewaltigen geschichtlichen Ereignissen, wie man sie 
in Rußland und in den großen Entscheidungsschlachten erlebt hatte, 
sah man ein göttliches Wirken und ein Strafgericht über den Ge¬ 
waltmenschen, der die heilige Ordnung gestört hatte. So war eine 
religiöse Stimmung entstanden, die sich in demütiger Unterordnung 
unter das göttliche Walten kundgab. Eine Störung der alten Ord¬ 
nung erschien verwerflich. Man bezeichnete alles geschichtlich Ge¬ 
wordene und kirchlich Geweihte als „legitim". In dem Festhalten 
an diesem, in der Rückkehr zu ihm („Restauration") sah man daher 
nach dem Kriege die wichtigste Aufgabe. Zur Verwirklichung dieser 
Anschauungen schlossen der Kaiser von Rußland, der Kaiser von 
Österreich und der König von Preußen am 26. September 1815 
die „heilige Allianz". Sie gelobten damit, daß sie ihre Volker 
regieren wollten nach den Vorschriften der heiligen Religion, nach 
den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Liebe, daß sie sich bei
	        
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