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Hymnen und Gebete. Schenken wir den Traditionen der Parsen
auch darin keinen Glauben, daß gerade der griechische Krieg daS
verlorne vernichtet habe, so ist doch die Zerrüttung in kriegerischen,
wilden Zeiten recht wohl möglich.
Das eigenthümliche bei der inneren Haltung des Vcn-
didad ist, daß nirgends eine geistige Rechtfertigung für Ge¬
setze und Gebote, wie in anderen alten Religionsbüchcrn,
durch Wunder gesucht wird. Es scheint, daß die Wunder,
welche die späteren Parsen von Zarathustra erzalcn, erst er¬
funden worden sind, seitdem die Anhänger des Zarathustra
Sagen von wunderthätigen Religionsstiftern bei anderen
Völkern kennen lernten. Der Bendidad ist in 22 Fargards
getheilt. Der Bortrag ist in dialogischer Form und Zara¬
thustra empfängt den Unterricht von Ahura-mazdao (Or-
muzd), d. h. dem hochweisen Gebieter.
Man hat den Inhalt des Vcndidad unmittelbar mit alten in¬
dischen Lehren in Verbindung gebracht^ und namentlich dafür auch
angeführt, die Sprache, in welcher der Vcndidad gcschribcn sei,
fei ein Dialekt des Sanskrit. Auf dies Verhältnis« bezicht sich
vornümlich die Schrift von Rask, und er gibt zwar eine gewisse
Verwandtschaft der Zendsprache und des Sanskrit zu, aber nur
so, daß die Volker, die beide gesprochen haben, dennoch ihrer Bil¬
dung nach so unabhängig von einander sein können, als Littaucr
und Hindus. Die Aussprache und ganze äußere Form des Zend
sei sehr verschidcn vom Sanskrit; das BeugungSsystcm stimme
zwar im ganzen auch mit dem Sanskrit, aber bei weitem mehr
mit den europäischen, dem Sanskrit verwandten, Sprachen überein.
Zwei andere Sprachen, in denen ebenfals heilige Schriften der
Parsen, aber jüngeren Datums, verfaßt sind, das Pehlwi näm¬
lich und das Parsi, setzen die Zendsprache voraus, so daß diese
letztere auf jeden Fall älter sein muß, weil aus ihr Ausdrücke cor-
rumpirt in diesen jüngeren Sprachen gefunden werden, was um¬
gekehrt nicht der Fall ist. Das Alter und die Reinheit der Zcnd-
fprachc ist unbestreitbar; demohncrachtct scheint neueren Untersuchun¬
gen zu Folge das Urtheil Rask's über den Grad der Vcrschidcn-
hcit der Zendsprache und des Sanskrit einer Berichtigung zu be¬
dürfen. Herr v. Bohlen, sagt in seinem weiterhin noch anzu¬
führenden Werke über Indien (B. II. S. 464.): „Das Zend ist
noch so sehr Sanskrit, daß ein mittelmäßiger Kenner dieser Sprache
das Original des Vcndidad, welches durch Burnouf und Ols-
hausen lithographirt erscheint, zimlich versteht, welches bereits
der wackere Burnouf gezeigt hat; zugleich aber erhell deutlich,
daß das Zend aus dem Sanskrit sich entwickelt habe, nicht aber