Die Periode der Soldatenkaiser 180— 284.
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Herrschaft ersetzt worden. Aber noch entbehrte die Verwaltung, ob-
wohl bereits die Kaiser des zweiten Jahrhunderts teilweise darauf
hinstrebten, der Centralisation und der Stütze eines geordneten,
unbedingt abhängigen Beamtentums; dazu fehlte eine gesicherte Erb-
folgeordnung. Die Stütze der Kaiser waren die. Legionen^) auf
deren Treue man nicht zählen durfte, und deren Kämpfe um die
Macht zu fortwährenden Revolutionen und Bürgerkriegen führten;
die sich zudem nicht mehr aus Bewohnern der kultivierten Land-
schaften, welche bei der Abnahme der Bevölkerung und der steigen-
den Abneigung gegen den Heeresdienst längst nicht mehr den nötigen
Ersatz lieferten, sondern aus den halbbarbarischen Grenzprovinzen
rekrutierten.
Indessen war die Verschmelzung der in dem Weltreich ^ionatif
verbundenen Völker iiymer weitergegangen. Von einem Vorrecht täten,
Italiens war nicht mehr die Rede, seit Caracalla an alle Unter-
thanen das Bürgerrecht erteilt hatte. Mit dem Absterben der
Nationalitäten war eine Ertötung des nationalen und politischen des.Wrger-
Sinnes, des Patriotismus verbunden; die Weltmonarchie forderte
nicht mehr selbstthätige Hingabe an den Staat, sondern den Gehör-
sam des Unterthanen. Diese Entwicklung wurde dadurch'Iefördert,
daß^ie städtische Selbstverwaltung, auf der bisher das politische ^Mung
Leben des griechisch-römischen Altertums geruht hatte, mehr und
mehr vernichtet und durch die Verwaltung kaiserlicher Beamten er-
setzt wurde.
Dem politischen ging der wirtschaftliche Verfall zur Seite, ^Völkern?
Die Bevölkerungszahl ging ebenso zurück wie Ser Wohlstand — trotz ^nv des^
der verschiedenartigen Vorkehrungen der Kaiser, der EklMseHe, der
Koloniegründungen und Äckerverteilungen, der Alimentationen, i Ver¬
armung und Verödung, die letztere noch befördert durch furchtbare
Epidemien, gingen Hand in Hand. Um landwirtschaftliche Arbeiter
zu "haben, vergaben die großen Besitzer Stücke Landes an Erbpächter
(Kolonen), die ihnen Abgaben leisteten und bald genug an die
Scholle gebunden wurden. Immer schwerer lasteten die stetig wachsen-
den Steuern auf der Bevölkernng, während zugleich die fortschreitende
und unglaublich gesteigerte Münzverschlechterung — damals betrug
der Silbergehalt der Silbermünzen nur 5°/0 — eine unerträgliche
Preissteigerung der Waren zur Folge hatte.
Nicht minder groß war der Verfall des aeistiqen Lebens. Geist. Leben
Das erste Jahrhundert n. Chr. hatte bedeutende Schriftsteller hervor-
gebracht: den Äeschichtschreiber Tacitus, der zur Zeit des Nerva
1) Septimius Severus soll seinen Söhnen geraten haben: Seid ein¬
trächtig , macht die Soldaten reich und verachtet alle anderen!