Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 3)

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nehmen Herren am Hofe war es gar nicht recht, daß ein Mann nie¬ 
derer Herkunft die höchste geistliche Würde in Deutschland habe, und 
sie suchten ihn dadurch zu kränken, daß sie Wagenräder an die Pforten 
seines Palastes zeichnen ließen. Willigis dachte aber, er brauche sich 
seiner Abkunft nicht zu schämen, ja er könne stolz sein, daß er sich so 
emporgeschwungen habe, ließ einen Maler kommen und befahl diesem, 
über jede Thür ein großes weißes Wagenrad zu malen und unter dasselbe 
den Spruch zu setzen: „Willigis, Willigis, deiner Herkunft nie vergiß!" 
Die Kaiserin Theophania, die während der Minderjährigkeit ihres 
Sohnes an der Spitze des deutschen Reiches stand, regierte mit großer 
Kraft, bezwang durch ihre Herzöge die Wenden und die Böhmen, die 
sich wieder einmal empört hatten, starb aber schon, als Otto III. erst 
11 Jahre alt war. Auf die Erziehung ihres Sohnes hatte sie großen 
Fleiß verwandt, und dieser wurde schon in seiner Jugend „das Wun¬ 
derkind" genannt, weil er sich durch ausgezeichnete Talente und bedeu¬ 
tende Kenntnisse hervorthat. Dabei hatte man auch nicht versäumt, 
seinen Körper zu kräftigen, ihn in der Führung der Waffen geschickt 
zu machen und ihm ritterlichen Muth einzuflößen, aber eins hatten 
ihm seine ausländischen Erzieher und Erzieherinnen nicht geben 
können: Liebe zu seinem deutschen Vaterlande und Achtung vor seinem 
tüchtigen Volke, das freilich von der feinen Sitte und dem eiteln 
Glanze der Italiener und Griechen nichts kannte, aber in seinem Kern 
vafür desto edler war. Sein letzter Lehrer, der Franzose Gerbert, 
zeichnete sich zwar durch große Gelehrtheit, aber nicht durch gute Ge¬ 
sinnungen aus, und mußte so auf seinen Schüler nachtheilig wirken. 
Täglich wurde dem „Wunderknaben" vorgesprochen, daß er ein ganz 
anderer Mensch sei als seine „rohen" Landsleute, da er von den 
großen Kaisern des herrlichen Morgenlandes herstamme, daß er an 
Verstand alle andern Menschen überrage, daß er berufen sei, das alte 
römische Reich in seiner ganzen Größe wieder herzustellen und sich 
unmöglich begnügen könne, Beherrscher eines barbarischen Volkes zu 
sein. So war es kein Wunder, daß der Knabe sich hinaussehnte nach 
dem fremden Welschland, wo sein Vater den Tod gefunden hatte, und 
daß er, als er mit 15 Jahren mündig erklärt wurde, seine deutschen 
Krieger zu einem Römerzuge aufbot, anstatt sie gegen die Wenden zu 
führen, die immer noch nicht ganz unterworfen waren, oder den großen 
Vasallen zu wehren, ihre Macht wieder zu vergrößern. Mit einem 
stattlichen Gefolge überschritt der Kaiserjüngling (996) die Alpen und 
wurde dann, nachdem er einige widerspenstige Vasallen gedemüthigt 
hatte, zum Kaiser gekrönt. Kaum aber hatte er seine Heimat wieder 
erreicht, als neue Unruhen ausbrachen und ihn veranlaßten, aufs neue 
nach Rom zu ziehen. Diesmal trat er mit großer Strenge auf, ließ 
die vornehmsten Aufrührer enthaupten und verurtheilte andere zu 
Gefängniß, Verlust ihrer Güter oder Verbannung. Nachdem er nock
	        
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