— 135 —
nehmen Herren am Hofe war es gar nicht recht, daß ein Mann nie¬
derer Herkunft die höchste geistliche Würde in Deutschland habe, und
sie suchten ihn dadurch zu kränken, daß sie Wagenräder an die Pforten
seines Palastes zeichnen ließen. Willigis dachte aber, er brauche sich
seiner Abkunft nicht zu schämen, ja er könne stolz sein, daß er sich so
emporgeschwungen habe, ließ einen Maler kommen und befahl diesem,
über jede Thür ein großes weißes Wagenrad zu malen und unter dasselbe
den Spruch zu setzen: „Willigis, Willigis, deiner Herkunft nie vergiß!"
Die Kaiserin Theophania, die während der Minderjährigkeit ihres
Sohnes an der Spitze des deutschen Reiches stand, regierte mit großer
Kraft, bezwang durch ihre Herzöge die Wenden und die Böhmen, die
sich wieder einmal empört hatten, starb aber schon, als Otto III. erst
11 Jahre alt war. Auf die Erziehung ihres Sohnes hatte sie großen
Fleiß verwandt, und dieser wurde schon in seiner Jugend „das Wun¬
derkind" genannt, weil er sich durch ausgezeichnete Talente und bedeu¬
tende Kenntnisse hervorthat. Dabei hatte man auch nicht versäumt,
seinen Körper zu kräftigen, ihn in der Führung der Waffen geschickt
zu machen und ihm ritterlichen Muth einzuflößen, aber eins hatten
ihm seine ausländischen Erzieher und Erzieherinnen nicht geben
können: Liebe zu seinem deutschen Vaterlande und Achtung vor seinem
tüchtigen Volke, das freilich von der feinen Sitte und dem eiteln
Glanze der Italiener und Griechen nichts kannte, aber in seinem Kern
vafür desto edler war. Sein letzter Lehrer, der Franzose Gerbert,
zeichnete sich zwar durch große Gelehrtheit, aber nicht durch gute Ge¬
sinnungen aus, und mußte so auf seinen Schüler nachtheilig wirken.
Täglich wurde dem „Wunderknaben" vorgesprochen, daß er ein ganz
anderer Mensch sei als seine „rohen" Landsleute, da er von den
großen Kaisern des herrlichen Morgenlandes herstamme, daß er an
Verstand alle andern Menschen überrage, daß er berufen sei, das alte
römische Reich in seiner ganzen Größe wieder herzustellen und sich
unmöglich begnügen könne, Beherrscher eines barbarischen Volkes zu
sein. So war es kein Wunder, daß der Knabe sich hinaussehnte nach
dem fremden Welschland, wo sein Vater den Tod gefunden hatte, und
daß er, als er mit 15 Jahren mündig erklärt wurde, seine deutschen
Krieger zu einem Römerzuge aufbot, anstatt sie gegen die Wenden zu
führen, die immer noch nicht ganz unterworfen waren, oder den großen
Vasallen zu wehren, ihre Macht wieder zu vergrößern. Mit einem
stattlichen Gefolge überschritt der Kaiserjüngling (996) die Alpen und
wurde dann, nachdem er einige widerspenstige Vasallen gedemüthigt
hatte, zum Kaiser gekrönt. Kaum aber hatte er seine Heimat wieder
erreicht, als neue Unruhen ausbrachen und ihn veranlaßten, aufs neue
nach Rom zu ziehen. Diesmal trat er mit großer Strenge auf, ließ
die vornehmsten Aufrührer enthaupten und verurtheilte andere zu
Gefängniß, Verlust ihrer Güter oder Verbannung. Nachdem er nock