Full text: Neuere Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Bd. 2)

§ 139. Kriegserklärung und Aufmarsch der Streitkräfte. 
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führte. Da nach dem Willen der Stände (oder Cortes) wieder eine Monarchie 
errichtet werden sollte, so betrieb der Ministerpräsident, General Prim, die Be- 
rufung des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern (aus der älteren katholischen 
Linie Hechingen-Sigmaringen) zum König von Spanien. Noch ehe den Cortes 
dessen Wahl zur Bestätigung vorgelegt war, erhob die französische Regierung 
dagegen ihren eifernden Einspruch, als ob eine preußische Doppelherrschast in Deutsch- 
land und Spanien errichtet werden wollte. 
Angesichts der drohenden Schwierigkeiten verzichtete Fürst Leopold freiwillig 
auf den ihm angebotenen Thron (12. Juli 1870), was andern Tages auch König 
Wilhelm, der damals in Ems weilte, als Oberhaupt der Familie guthieß. Der 
französische Minister Gramont aber forderte nunmehr von letzterem eine, ausdrück- 
liche Erklärung dafür, daß sich Preußen nicht bloß jenem Verzicht anschliche, sondern 
auch für alle Zukunft eine Erneuerung ähnlicher Pläne nicht mehr zulassen werde. 
Dieses Ansinnen, das eine demütigende Willfährigkeit erzwingen sollte, wies 
König Wilhelm dem französischen Botschafter Benedetti gegenüber in gemessener 
Weise zurück. Darüber stellte sich die französische Regierung beleidigt. Ihre 
Kammern genehmigten am 15. Juli die Mittel zu der von der Regierung 
angeordneten Kriegsbereitschaft. Unter solchen Umständen war die förmliche 
Kriegserklärung an Preußen stündlich zu erwarten. König Wilhelm eilte daher 
nach Berlin zurück, wo Bismarck bereits die Veröffentlichung der Emser Vorgänge 
besorgt und im Verein mit Moltke die sonst nötigen Vorkehrungen getroffen hatte. 
2. Aie französische Kriegserklärung. Durch feine Regierungs- 
männer irregeleitet, stürzte sich Frankreich aus leidenschaftlicher Mißgunst 
gegen Preußen in einen frevelhaften Krieg. Dabei erwartete Ber Kaiser¬ 
hof auf Grund unsicherer Vereinbarungen nicht bloß den baldigen Bei- 
tritt der Österreicher und Italiener, sondern machte sich wohl auch Hoff- 
nungen auf die Bundesgenossenschaft oder doch wenigstens auf die 
Neutralität derjenigen deutschen Staaten, welche jüngst von Preußen 
überwältigt worden waren. Tolle Siegeszuversicht berauschte im voraus 
die erregte Menge, namentlich in Paris. Am 19. Juli wurde in Berlin 
tue französische Kriegserklärung überreicht. 
3. Deutsche Einmütigkeit und Kampföegeisternng. Noch am 
HLaML hatte König Wilhelm, wie es Bismarck beantragt hatte, in An¬ 
sehung der drohenden Gefahren den Befehl zur Mobilmachung des Heeres 
und zur Einberufung des Norddeutschen Reichstages erlassen. Am 
19. Juli, dem Tage der Kriegserklärung, genehmigte letzterer einstimmig 
die verlangten Mittel für den vaterländischen Krieg. Schon am folgenden 
Tage traf aus Bayern die willkommene Kundgebung ein, daß König 
Ludwig II. und die Mehrheit der Kammer sich für den Bündnisfall mit 
Preußen ausgesprochen. Nach Bayerns Beispiel handelten auch die 
anderen süddeutschen Staaten. 
Der brüderliche Bund zwischen Nord und Süd hob die gerechte Zuversicht 
aller, und unter den Klängen der „Wacht am Rhein" eilten Deutschlands Heere
	        
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