221
Volk. — Das sei genug gesagt von den geistlichen Gebrechen, man wird
und mag ihrer mehr finden, wo diese würden recht angesehen; wollen auch
der weltlichen eines Teils anzeigen.
Zum ersten wäre hochnot ein gemein Gebot und Bewilligung deutscher
Nation wider den überschwenglichen Überfluß und Kost der Kleidung, dadurch
so viel Adel und reiches Volk verarmt. Hat doch Gott uns wie andern Landen
genug geben Wolle, Haar, Flachs und alles, das zu ziemlicher, ehrlicher
Kleidung einem jeglichen Stande redlich dienet, daß wir nicht bedürfen so
greulichen großen Schatz für Seide, Sammet, gülden Stück, und was der aus—
ländischen Ware ist, so geudisch verschütten. Ich acht, ob schon der Papst
mit seiner unerträglichen Schinderei uns Deutschen nicht beraubet, hätten wir
dennoch mehr denn zu viel an diesen heimlischen Räubern, den Seiden- und
Samtkrämern. So sehen wir, daß dadurch ein jeglicher will dem andern
gleich sein, und damit Hoffart und Neid unter uns, wie wir verdienen, erreget
und vermehret wird, welches alles und viel mehr Jammer wohl wesblieb, so
der Fürwitz uns ließ an den Gütern, von Gott geben, dankbarlich genügen.
Desselben gleichen wäre auch not weniger Spezerei, das auch der großen Schiffe
eines ist, darin das Geld aus deutschen Landen geführet wird. Es wächst
uns ja von Gottes Gnaden mehr Essen und Trinken und so köstlich und gut
als irgend einem andern Land. Ich werde hier vielleicht närrisch und un—
möglich Ding vorgeben, als wollte ich den größten Handel, Kaufmannschaft
niederlegen. Aber ich thue das Meine; wird's nicht in der Gemeinde gebessert,
so besser sich selbst, wer es thun will. Ich sehe nicht viel gute Sitten, die
je in ein Land kommen sind durch Kaufmannschaft, und Gott vor Zeiten
sein Volk Israel von dem Meere wohnen ließ und nicht viel Kaufmann—
schaft treiben. — Hier müßte man wahrlich auch den Fuckern und der—
gleichen Gesellschaften einen Zaum ins Maul legen. Wie ist's möglich, daß
es sollte göttlich und recht zugehen, daß bei eines Menschen Leben sollten
auf einen Haufen so große königliche Güter bracht werden? Ich weiß die
Rechnung nicht. Aber das verstehe ich nicht, wie man mit hundert Gulden
mag des Jahres erwerben zwanzig, ja, ein Gulden den andern und das
alles nicht aus der Erden oder von dem Vieh, da das Gut nicht in mensch—
lichem Witz sondern in Gottes Gebenedeiung stehet. Ich befehle das den
Weltverständigen; ich als ein Theologus hab nicht mehr daran zu strafen
denn das böse ärgerliche Ansehen, davon St. Paulus sagt: „Hütet euch vor
allem bösen Ansehen oder Schein.“ Das weiß ich wohl, daß viel göttlicher
wäre, Ackerwerk mehren und Kaufmannschaft mindern, und die viel besser
thun, die der Schrift nach die Erden arbeiten und ihre Nahrung daraus
suchen, wie zu uns und allen gesagt ist in Adam: „Vermaledeit sei die
Erde, wenn du darin arbeitest; sie soll dir Disteln und Dornen tragen, in
dem Schweiß deines Angesichts sollst du essen dein Brot.“ Es ist noch viel
Land, das nicht umtrieben und geackert ist. Das sei diesmal genug. Ich
acht auch wohl, daß ich hoch gesungen habe, viele Dinge vorgegeben, die un—
möglich werden angesehen, viele Stück zu scharf angegriffen; wie soll ich
ihnen aber thun? Ich bin es schuldig zu sagen; konnt ich, so wollte ich auch