488
Dichtungen der Gegenwart.
Der Ritter vom Rhein.
Ich weiß einen Helden von selt'nerArt,
So stark und so zart, so stark und so zart;
Das ist die Blume der Ritterschaft,
Das ist der erste an Milde und Kraft,
So weit auf des Vaterlands Gauen
Die Sterne vom Himmel schauen.
Er kam zur Welt aus sonnigem Stein
Hoch über dem Rhein, hoch über dem
Rhein:
Und wie er geboren, da jauchzt' überall
Im Lande Trompeten- und Paukenschall,
Da wehten von Burgen und Hügeln
Die Fahnen mit lustigen Flügeln.
In goldener Rüstung geht der Gesell,
Das funkelt so hell, das funkelt so hell;
Und ob auch mancher zum Kamps sich
gestellt,
Weiß keinen, den er nicht endlich gefällt;
Es sanken Fürsten und Pfaffen
Vor seinen feurigen Waffen.
Doch wo es ein Fest zu verherrlichen
gilt.
Wie ist er so mild, wie ist er so mild!
Er naht, und die Augen der Gäste
erglühn,
Und der Sänger greift in dieHarfe kühn,
Und selbst die Mädchen im Kreise,
Sie küssen ihn heimlicher Weise.
O komm, du Blume der Ritterschaft,
Voll Milde und Kraft, voll Milde und
Kraft,
Tritt ein in unsern vertraulichen Rund
Und wecke den träumenden Dichtermund,
Und führ uns beim Klange der Lieder
Die Freude vom Himmel hernieder.
(5. v. Geibel.
Rheinsage.
Am Rhein, am grünen Rheine
Da ist so mild die Nacht;
Die Rebenhügel liegen
In goldner Mondenpracht.
Und an den Hügeln wandelt
Ein hoher Schatten her
Mit Schwert und Purpurmantel,
Die Krone von Golde schwer.
Das ist der Karl, der Kaiser,
Der mit gewalt'ger Hand
Vor vielen hundert Jahren
Geherrscht im deutschen Land.
Er ist heraufgestiegen
Zu Aachen aus der Gruft,
Und segnet seine Reben
Und atmet Traubendust.
Bei Rüdesheim, da funkelt
Der Mond ins Wasser hinein.
Und baut eine goldue Brücke
Wohl über den grünen Rhein.
Der Kaiser geht hinüber
Und schreitet langsam fort,
Und segnet längs dem Strome
Die Reben an jedem Ort.
Dann kehrt er heim nach Aachen
Und schläft in seiner Gruft,
Bis ihn im neuen Jahre
Erweckt der Trauben Duft.
Wir aber füllen die Römer,
Und trinken im goldenen Saft
Uns deutsches Heldenfeuer
Und deutsche Heldenkraft. E. v. Geibel.
Bei Hochstedt.
(Schlacht am 13. August 1704).
Marlbrough zieht aus zum Kriege,
Die Fahnen läßt er wehn;
Da reicht zum Kampf und Siege
Die Hand ihm Prinz Eugen.
Sie mustern ihre Truppen
Bei Hochstedt auf dem Plan:
„Gut stehn im Brett die Puppen,
Frisch auf, wir greifen an!"
Und wie sie mit dem Haufen
Dem Feind entgegenziebn,
Da kommt gejagt mit Schnaufen
Ein Hofkurier aus Wien.
Er springt in buntem Staate
Vom Roß und neigt sich lief:
„Vom hohen Kriegshofrate,
Durchlaucht'ger, hier ein Brief!"
Der kleine Kapuziner *)
Schiebt in die Brust ihn sacht:
„Der Herrn ergebner Diener,
Das les' ich nach der Schlacht.
') So ward Prin; Eugen von seinen Soldaten genannt.